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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...
Autoren: Malala Yousafzai
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Schande.«
    Malalai starb im Kugelhagel, doch ihre Worte und ihre Tapferkeit feuerten die Männer an, dem Verlauf der Schlacht eine Wendung zu geben. Sie vernichteten eine komplette englische Brigade – eine der entsetzlichsten Niederlagen der britischen Armee. Die Afghanen waren so stolz auf sie, dass der letzte afghanische König im Zentrum von Kabul ein Maiwand-Siegesdenkmal errichten ließ. Später las ich ein paar Sherlock-Holmes-Geschichten und musste lachen, als ich erfuhr, dass die Romanfigur Dr. Watson in ebendieser Schlacht verwundet worden war, bevor er der Partner des großartigen Detektivs wurde. Aber wir Paschtunen hatten mit Malalai jetzt unsere eigene Jeanne d’Arc. Viele Mädchenschulen in Afghanistan sind nach Malalai benannt.
    Meinem Großvater, der Religionsgelehrter war, hat es nicht gefallen, dass mein Vater diesen Namen für mich auswählte. »Das ist ein trauriger Name«, sagte er. »Er bedeutet ›kummervoll‹ oder sogar ›leidend‹.«
    Ich als Baby.
    Als ich ein Baby war, sang mir mein Vater immer ein Lied vor, das der berühmte Dichter Rahmat Shah Sayel aus Peshawar geschrieben hatte. Die letzte Strophe endet so:
     
    O Malalai von Maiwand,
    Erhebe dich wieder, lass Paschtunen
    das Lied der Ehre verstehen,
    Deine Dichterworte wenden Welten,
    Ich bitte dich, erhebe dich wieder.
     
    Jedem, der zu uns ins Haus kam, erzählte mein Vater die Geschichte von Malalai. Ich liebte diese und die Lieder, die er mir vorsang, und wie mein Name mit dem Wind schwebte, wenn Leute ihn riefen.
    ***
    Wir lebten am schönsten Ort auf der ganzen Welt. Mein Tal, das Swat-Tal, ist ein Himmelreich aus Bergen, strömenden Wasserfällen und kristallklaren Seen. »Willkommen im Paradies«, liest man auf dem Schild, wenn man das Tal betritt. In alter Zeit wurde das Swat-Tal
Uddyana
genannt, das bedeutet »Garten«. Wir haben Wildblumenfelder, Gärten voll köstlicher Früchte, Smaragdminen und Flüsse voller Forellen. Das Swat wird oft als »Schweiz des Ostens« bezeichnet – das Tal ist der erste Ski-Erholungsort Pakistans. Die Reichen unseres Landes machten hier Urlaub, um unsere reine Luft, unsere Landschaft und unsere Sufi-Feste mit Musik und Tanz zu genießen. Es reisten in unser Tal auch viele Ausländer, die wir alle als
angrezan
bezeichneten, Briten, egal, woher sie stammten. Sogar Queen Elizabeth  II . von England kam nach Pakistan, das war 1961 gewesen, und wohnte in unserem Weißen Palast, dem heutigen Hotel White Palace, erbaut aus demselben Marmor wie das Taj Mahal, von unserem König, dem ersten
Wali
von Swat.
    Das alles lag auch an unserer besonderen Geschichte. Heute ist das Swat ein Teil der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder KPK , wie wir sagen, und die ist ganz schön groß. Aber einst war das Swat vom übrigen Pakistan abgetrennt, war ein Fürstentum, eines von dreien, zusammen mit Chitral und Dir. In der Kolonialzeit waren unsere Herrscher den Briten gegenüber treuepflichtig, regierten ihre Länder jedoch unabhängig.
    Als die Briten Indien 1947 in die Unabhängigkeit entließen und es teilten, kamen wir zu dem neugegründeten Staat Pakistan, blieben aber autonom. Wir führten zwar die Pakistanische Rupie ein, doch die pakistanische Regierung war nur für die Außenpolitik zuständig. Der
Wali
behielt die Oberhand über die Justiz, wahrte Frieden zwischen verfeindeten Stämmen und kassierte
ushur
 – eine Steuer in Höhe von zehn Prozent des Einkommens, womit er Straßen, Krankenhäuser und Schulen baute.
    Wir waren nur 160  Kilometer Luftlinie von Pakistans Hauptstadt Islamabad entfernt, aber es fühlte sich an wie ein anderes Land. Die Fahrt auf der Straße über den Malakand-Pass dauerte mindestens fünf Stunden. Der Pass ist eine Gebirgskette, wo unsere Vorfahren im 19 . Jahrhundert, angeführt vom Prediger Mullah Sadullah (den Briten als »Mad Fakir« kennen), zwischen den zerklüfteten Gipfeln gegen die britischen Streitkräfte kämpften. Unter den Soldaten war Winston Churchill, der über seine Erlebnisse am Malakand-Pass ein Buch geschrieben hat. Einen der Gipfel dort nennen wir immer noch »Churchills Posten«, obwohl er sich nicht gerade schmeichelhaft über unser Volk geäußert hat. Am Ende des Passes steht ein Schrein mit einer grünen Kuppel, dort werfen die Leute Geldstücke hinein, zum Dank für ihre glückliche Ankunft.
    Niemand, den ich kannte, war je in Islamabad gewesen. Bevor die Unruhen ausbrachen, waren die meisten Leute nie aus dem Swat herausgekommen, zu ihnen
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