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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott
Autoren: Giorgio Faletti
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Marmor, wie alle anderen auch. Robert lächelt mir zu. Sein Gesicht auf dem Keramikfoto wird niemals altern.
    Wir sind jetzt etwa gleich alt.
    Heute war ich zum Essen bei meinen Eltern. Das Haus hatte ich gar nicht mehr so groß und prächtig in Erinnerung. Als ich hereinkam, haben mich die Hausangestellten angeschaut, als wäre ich Lazarus nach der Wiederauferstehung. Ein paar hatten mich überhaupt noch nie gesehen. Nur Henry hat mir, während er mich zu meiner Mutter und meinem Vater begleitet hat, den Arm gedrückt und mir einen verschwörerischen Blick zugeworfen.
    Dann hat er mir etwas ins Ohr geflüstert.
    » Die wahre Geschichte eines falschen Namens. Wirklich ein großartiger Artikel, Mr. Russell.«
    Beim Essen in dieser Villa, in der ich aufgewachsen bin und wo ich so viele Augenblicke mit Robert und meinen Eltern erlebt habe, war es nach all den Jahren der Abwesenheit nicht leicht, den alten Groll einfach zu vergessen. Das Schweigen und die unzähligen harten Worte konnten nicht einfach mit ein bisschen gutem Willen ausgelöscht werden. Das Essen war allerdings hervorragend, und wir haben geredet, wie wir es schon lange nicht mehr getan haben.
    Beim Kaffee hat mein Vater etwas von einem Gerücht gemurmelt. Mehrere Leute hätten meinen Namen im Zusammenhang mit dem Pulitzerpreis genannt. Und als er hinzufügte, dass ihn mir dieses Mal niemand wieder wegnehmen würde, hat er gelächelt. Auch meine Mutter hat gelächelt, und mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.
    Ich habe getan, als wäre nichts, und in meine Tasse mit dem dampfenden Kaffee geschaut.
    Und an das Telefonat gedacht, das ich auf meinem Rückflug von Chillicothe getätigt hatte. Vom Telefon des Flugzeuges aus habe ich die New York Times angerufen, habe meinen Namen genannt und mich zu Wayne Constance durchstellen lassen. Vor vielen Jahren, als mein Bruder noch am Leben war, war er für die Auslandsnachrichten verantwortlich. Mittlerweile ist er zum Geschäftsführer aufgestiegen.
    Seine Stimme am Telefon hörte sich genauso an, wie ich sie in Erinnerung hatte.
    » Hallo, Russell. Was kann ich für dich tun?«
    Ein wenig kühl, misstrauisch, neugierig.
    Ich hatte nichts anderes erwartet, denn ich wusste, dass ich es nicht anders verdiente.
    » Ich kann etwas für dich tun, Wayne. Ich habe einen richtigen Knüller an der Hand.«
    » Ach ja? Worum geht es denn?«
    Ein bisschen weniger kühl. Ein bisschen neugieriger. Ein bisschen ironisch. Genauso misstrauisch.
    » Im Augenblick kann ich dir das nicht sagen. Das Einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass du die Geschichte exklusiv haben kannst, wenn du möchtest.«
    Er brauchte einen Moment, bevor er antwortete.
    » Meinst du nicht, Russell, dass du dich in den letzten Jahren zur Genüge bloßgestellt hast?«
    Ich wusste, dass es das Beste sein würde, ihm Recht zu geben.
    » Absolut. Aber dieses Mal ist es anders.«
    » Und wer garantiert mir das?«
    » Niemand. Doch du wirst mich empfangen und dir anschauen, was ich dir anzubieten habe.«
    » Wieso bist du dir da so sicher?«
    » Aus zwei Gründen. Erstens bist du neugierig wie ein Skunk. Zweitens wirst du dir keine Gelegenheit entgehen lassen, mich endgültig fertigzumachen.«
    Wayne lachte, als hätte ich einen Scherz gemacht. Wir wussten beide, dass es die Wahrheit war.
    » Wenn du mir meine Zeit stiehlst, Russell, dann sage ich den Sicherheitsleuten, dass sie dich aus dem Fenster werfen sollen. Und ich werde mich höchstselbst vergewissern, dass sie es auch wirklich tun.«
    » Du bist grandios, Wayne.«
    » Dein Bruder war grandios. Und nur in Gedenken an ihn schaue ich mir dein Zeug an.«
    Dann hatten wir vorerst keinen Kontakt mehr. Bis zu jener Nacht im Joy, in der sich alle Sicherheiten in Luft aufgelöst haben, um einer großen Leere Platz zu machen, der Leere unseres Unwissens über den Menschen, seine Natur, die Welt, die ihn umgibt, und die Welt, die er in sich trägt.
    Während wir darauf warteten, dass die Polizei und die Spurensicherung kamen und mit ihren Ermittlungen begannen, habe ich mir ein Zimmer mit einem Computer und einem Internetanschluss gesucht. Dort habe ich mich eingeschlossen und mit dem ersten Artikel begonnen. Ich habe ihn einfach so heruntergeschrieben, als hätte jemand hinter mir gestanden und mir die Worte diktiert. Es war, als wäre diese Geschichte schon immer meine gewesen, als hätte ich sie schon tausendmal erlebt und genauso oft erzählt.
    Dann habe ich den Artikel an die Zeitung gemailt.
    Der Rest der
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