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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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stehen, kann ich deshalb in drei Worte fassen: Sex, Geld und Gewalt.

    Im letzten Teil dieses Buchs gehe ich auf mögliche Lösungsmöglichkeiten ein. Der Westen reagiert auf soziale Misserfolge muslimischer Immigranten gern mit einer Art Rassismus der niedrigen Erwartungen. Diese Haltung gründet auf der Vorstellung, dass man bei Farbigen nicht »normale« Maßstäbe anlegen darf. Eine wohlmeinende Bevölkerungsschicht ist der Ansicht, dass Minderheiten nicht wie die Mehrheit allen Verpflichtungen nachkommen müssen. In liberalen, demokratischen Ländern ist die Mehrheit weiß, und die meisten Minderheiten sind farbig. Doch die meisten Muslime wandern, wie alle anderen Immigranten, nicht in den Westen ein, um in einem »Minderheitenstatus« eingepfercht zu werden, sondern weil sie ein besseres Leben führen möchten, eines, das sicher und verlässlich ist, das ihnen die Aussicht eröffnet, ein besseres Einkommen zu erzielen, und das ihren Kindern die Chance auf eine gute Ausbildung bietet. Um dies zu erreichen, müssen sie meiner Ansicht nach einige ihrer Gewohnheiten, Dogmen und Bräuche aufgeben und neue annehmen.
    Zahlreiche hilfsbereite Männer und Frauen im Westen wollen die Flüchtlinge heimisch machen und rügen ihre Mitbürger dafür, dass sie sich nicht ausreichend engagieren, Geld an wohltätige Organisationen spenden und die Diskriminierung abbauen. Sie setzen Regierungen unter Druck, an Minderheiten nicht die Verhaltensmaßstäbe westlicher Gesellschaften anzulegen. Sie wollen den Minderheiten helfen, ihre Kultur zu bewahren, und verhindern, dass ihre Religion einer kritischen Überprüfung unterzogen wird. Ich zweifle nicht an den guten Absichten dieser Menschen. Aber ich glaube, dass ihr gut gemeinter Aktionismus heutzutage Teil des Problems ist, das sie lösen wollen. Um es ganz offen zu sagen: Ihre Bemühungen, Muslimen und anderen Minderheiten zu helfen, schlagen fehl, weil die Verfechter des Multikulturalismus den Übergang in die Moderne hinausschieben oder bestenfalls verlängern, indem sie so tun, als könnte man an Stammesnormen festhalten und gleichzeitig ein erfolgreicher Staatsbürger sein. Damit verbannen sie auch nachfolgende Generationen, die im Westen geboren sind, in ein Niemandsland ohne moralische Werte. Was da in mitfühlende Worte verpackt wird, ist in Wahrheit eine grausame Form des Rassismus, umso grausamer, weil er in süßliche Worte der Rechtschaffenheit gekleidet wird.
    Drei Institutionen in der westlichen Gesellschaft können, so meine ich, diesen Millionen von Nomaden den Übergang von der Stammeskultur, die sie hinter sich lassen, zur Staatsbürgerschaft in einer westlichen Gesellschaft erleichtern. Diese Institutionen können es im Kampf um Herz und Verstand der Muslime mit den Verfechtern des Dschihad durchaus aufnehmen.
    Aus der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts gingen Schulen und Universitäten hervor, die das Prinzip des kritischen Denkens vertraten. Bildung sollte die Menschen befähigen, sich von Armut, Aberglaube und Tyrannei zu befreien, indem sie ihre kognitiven Fähigkeiten entwickelten. Mit der Ausbreitung der Demokratie im 19. und 20. Jahrhundert erhielten immer mehr Menschen Zugang zu solchen vernunftbasierten Institutionen. Kinder aus allen sozialen Schichten lernten nicht nur Mathematik, Geografie, Natur- und Geisteswissenschaften, sondern eigneten sich auch die sozialen Fertigkeiten und Disziplinen an, die sie für den Erfolg in der Welt außerhalb des Klassenzimmers brauchten. Die Literatur florierte und beflügelte die Fantasie, sodass sie sich in Figuren aus anderen Zeiten und Welten hineinversetzen konnten. Die staatliche Bildung sollte Bürger hervorbringen, statt die Unterschiede zwischen Stämmen und die Heiligkeit des Glaubens oder überkommener Einstellungen zu pflegen.
    Heute nehmen viele Schulen und Universitäten im Westen mehr »Rücksicht« auf den Glauben, die Bräuche und die Gewohnheiten der Einwanderer in ihren Klassenzimmern und Hörsälen. Aus falsch verstandener Höflichkeit vermeiden sie es, den Glauben muslimischer Kinder und ihrer Eltern zu hinterfragen. In den Schulbüchern werden fundamental ungerechte Regeln des Islam weichgezeichnet, und die Religion wird als friedlich dargestellt. Die Institutionen der Vernunft müssen diese selbst auferlegten Scheuklappen abwerfen und wieder mehr in die Entwicklung des kritischen Denkens investieren, egal, wie unhöflich das der eine oder die andere auch finden mag.
    Die zweite
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