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Hundeelend

Hundeelend

Titel: Hundeelend
Autoren: C Bateman
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Partnervermittlung. Ich bringe Menschen mit den richtigen Büchern zusammen. Zu mir kommen Leute, die viele Jahre vergeblich damit zugebracht haben, ihren Autor zu finden, die resigniert und verbittert sind, verletzt durch zahllose unglückliche Begegnungen oder abgeschreckt durch eine einzige frühe Katastrophe; sie wollen einen letzten Versuch wagen, bevor sie für immer aufgeben. Sie erzählen mir, was sie von einem Buch erwarten, und auch ein bisschen was über sich selbst. Häufig plustern sie dabei ihren eigenen Lebenslauf ein wenig auf, damit er interessanter klingt, oder um sich einen gebildeten Anstrich zu geben. Manchmal behaupten sie, sie würden nach einem literarisch anspruchsvollen Werk suchen, irgendetwas, das vom Feuilleton hochgejubelt wurde, etwas Ausländisches, das in unsere Sprache übersetzt worden ist. Aber mein Job besteht darin, diese kleinen
Anläufe närrischer Tollkühnheit zu durchschauen und ihnen schonend beizubringen, dass das, was sie sich selbst als Lektüre verordnen, nicht unbedingt das ist, was sie brauchen. Selbst in diesem kleinen Ghetto, das sich Kriminalliteratur nennt, hatte ich schon viele Kunden, die beispielsweise einen James Ellroy verlangten, obwohl mir ein einziger Blick verriet, dass sie mit einem Robert B. Parker viel glücklicher wären. Ich bin gewissermaßen ein Doktor der Kriminalliteratur, und was ich ihnen verschreibe, ist ein literarisches Rezept. Nehmen Sie einen Parker die Woche, Madam, aber Vorsicht, es besteht eine gewisse Gefahr der Überdosierung; lesen Sie zunächst unter keinen Umständen mehr als dieses Buch, ohne vorher Ihren Buchhändler um Rat zu fragen.
    »Hallo. Erde an …?«
    »Was?«
    Alison schüttelte den Kopf. »Du hast dich wirklich nicht verändert.«
    »Danke, gleichfalls.«
    »Hör doch endlich mit diesem Unsinn auf. Das ist kindisch und blöd.«
    »Danke, gleichfalls.«
    »Bitte!«
    Ich zuckte mit den Schultern und nippte an meinem Frappuccino. In den vergangenen sechs Wochen hatte ich mich dreimal durch die gesamte Speisekarte gearbeitet. Eine der Kellnerinnen hatte gesagt: »Sie schon wieder? Sie sollten unbedingt Aktien von dem Laden kaufen.« So ein blöder Spruch. Doch ich verkniff mir jeden Kommentar. Manchmal kann ich meine Zunge im Zaum
halten. Das liegt sicher am Alter und der zunehmenden Reife.
    »Und wie ging’s dir so in letzter Zeit?«, erkundigte sich Alison.
    »Großartig.«
    »Hast du mich vermisst?« Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. »Offensichtlich so sehr wie ein Loch im Kopf, was?«
    Ich bewahrte diplomatisches Stillschweigen. Im Hintergrund dudelte Weihnachtsmusik. Der Boden glänzte nass von Fußabdrücken. Unter den Tischen standen vollgestopfte Einkaufstüten.
    »Hast du wirklich meine Comics weggeschmissen?«
    »Ja.«
    »Wie würdest du dich fühlen, wenn ich deine Lieblingsbücher wegschmeiße?«
    »Ich hätte dir meine Lieblingsbücher niemals geliehen.«
    »Da hast du recht. Nicht mal, als wir uns noch gut verstanden haben.«
    »Haben wir uns je gut verstanden?«
    Sie lächelte. »Für dich ist das Glas immer noch halb leer, wie gehabt.«
    »Ich bin eben Realist.«
    »Pessimist.«
    »Danke, gleich …«
    »Bitte.«
    Ich starrte sie an.
    Sie sagte: »Das ist albern.«
    Mühsam hielt ich mich zurück.

    »Wir haben uns gut verstanden«, beharrte sie. Ich zuckte mit den Achseln. »Wir sollten das nicht einfach so wegwerfen. Es tut mir leid. Wie oft soll ich das noch beteuern?«
    »Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen.«
    »Ich hab es ja versucht. Aber deine Mutter hat nur gemeint – ich zitiere – : Verpiss dich. Zumindest glaube ich, dass sie das gesagt hat. Es ist wirklich schwer, sie zu verstehen.«
    »Weil du dafür gesorgt hast, dass sie einen Schlaganfall kriegt.«
    »Hab ich nicht, das ist einfach lächerlich.«
    »Sie ist halbseitig gelähmt, weil du darauf bestanden hast, wie ein Terrorist in ihr Zimmer zu stürmen.«
    »Das ist einfach nicht wahr.«
    »Willst du es etwa bestreiten?«
    »Ich wollte nur sehen, ob es ihr gut geht. Ich wollte nachschauen, ob sie überhaupt existiert.«
    »Sie ist in Schockstarre verfallen. Hat einen Schlaganfall erlitten. Sie ist für immer gelähmt und wird sich nie wieder erholen.«
    »Und trotzdem lässt du sie im Laden arbeiten.«
    »Dir entgeht wohl gar nichts. Ich versuche nur, ihr zu helfen.«
    »Sie verschreckt deine Kunden.«
    Alison lächelte. Ich nicht. Keine Ahnung, was ich hier zu suchen hatte, abgesehen davon, dass ich meinen Kaffee
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