Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Human

Human

Titel: Human
Autoren: Alan Dean Foster
Vom Netzwerk:
von der Taille aufwärts nichts anhatte und dass seine Fliege, das langärmelige weiße Hemd, die Perlmuttknöpfe und die glatt gebügelten Taschen nichts als ein kunstvoll angefertigtes Tattoo waren. Eine derartige dreidimensionale Ganzkörpertätowierung ließ sich leicht entfernen oder anpassen, falls der Besitzer den Beruf wechseln sollte, und war insbesondere in heißen, schwülenGebieten sehr beliebt. Das Tattoo klebte nicht am Körper, konnte keine Schweißflecken bekommen und musste auch nie gewaschen werden.
    Nachdem sie erkannt hatte, dass der kleine Mann sich auf diese Weise verändert hatte, verglich sie seine Melds mit jenen, die sie aus Savannah kannte. Neben seiner Uniformtätowierung hatte er an jeder Hand zwei zusätzliche Finger, damit er besser Tabletts, Teller, Gläser und anderes Geschirr transportieren konnte.
    Sein Herkunftsland spiegelte sich in seinem Gesicht wider, das schachbrettartig schwarz-weiß gemustert war. Dieses Melanismus-Meld war hier sehr angesagt. Sowohl am Flughafen als auch im Transporter hatte sie sich ständig abwechselnde schwarz-weiße Streifen, Flecken, Ovale, Halbmonde gesehen, außerdem war ihr eine sehr große Frau aufgefallen, deren Gesicht in der Mitte geteilt war, die eine Hälfte weiß und die andere schwarz, und dieses Farbprinzip setzte sich auch auf ihren entblößten Armen fort. Andere Melds trugen hellere, weniger traditionalistische Hautfarben zur Schau. Türkis schien in diesem Jahr groß in Mode zu sein, vor allem bei einer Gruppe lauter, hier zu Besuch weilender Italiener.
    Als sie es mit eigenen Augen sah, wurde ihr klar, dass die alte Regenbogennation nicht schwarz oder weiß, sondern beides auf einmal war.
    Whispr hätte seine schmale Gestalt in nahezu jeden Wagen quetschen können, sei er auch noch so überfüllt, aber er war dennoch froh, dass sie ausreichend Platz für ihr Handgepäck hatten. »Warum sind die Wagen dieser Linie bloß so leer?«, wunderte er sich, woraufhin er auch sofort eine Antwort erhielt.
    »Die meisten Leute fahren in die Innenstadt oder einen der anderen zentralen Stadtteile. Sie sind im Express zur Westbucht.« Der Mann mit dem Restaurantservice-Meld und der Tätowierung grinste sie an. Fasziniert stellte Ingrid fest, dass jeder zweite Zahn des Mannes einen glänzenden schwarzen Porzellanüberzug erhalten hatte. »Wenn dieser Wagen auch in den Wets halten würde, dann wäre er jetzt so voll wie jeder andere.«
    »Die ›Wets‹?«, erkundigte sich Ingrid.
    »Die Cape Wets. Früher wurden sie Cape Flats genannt und sahen genauso aus, wie man sie sich dem Namen nach vorstellen würde, doch seit das Wasser gestiegen ist   … Sie werden es ja sehen.«
    Kurz darauf machte die Transportlinie einen sanften Bogen Richtung Südwesten, und das höher gelegene Land rings um den Flughafen flachte nach und nach ab, bis sie auf einem erhöhten Streifen, der auf Pylonen montiert worden war, weiterfuhren. Die Millionen armer Menschen, die vor dem Schmelzen der Polarkappen in Grönland ihre einfachen Häuser im Flachland der Cape Wets gebaut hatten, waren nicht weggezogen. Sie konnten es nicht. Sie hatten kein Geld, und selbst wenn sie welches gehabt hätten, konnten sie nirgendwo hin. Also waren sie geblieben, und zu ihnen stießen noch mehrere Millionen aus der zentralafrikanischen Diaspora, die auf der Suche nach Arbeit und einem Neuanfang in den SAHV eingewandert waren.
    »Das ist wie in Savannah«, stellte Ingrid fest und starrte aus dem Fenster des Transportwagens. Aber das stimmte nicht ganz.
    »Es heißt, im Boatland von Bangkok leben mehr Leute«, erklärte der Restaurantangestellte, »aber hier wohnen mehr Menschen als in jeder anderen auf Stelzen stehenden Gemeinde, soweit ich weiß. Abgesehen vom Ganges-Floß natürlich.«
    Whispr verzog das Gesicht. »Nie davon gehört.«
    »Es befindet sich an der Stelle, an der sich einst ein Land namens Bangladesch befunden hat«, klärte ihn Ingrid auf.
    Whispr Begleiter grunzte und sah durch die durchsichtige Wand des Transportwagens hinaus. »Schlimmer als das hier kann es nicht sein. Ich habe schon viele chaotische Wohnungen gesehen, aber das übersteigt alles.«
    »Seien Sie vorsichtig, was Sie sagen, Besucher«, meinte der Angestellte. »Die Leute hier sind sehr stolz auf ihre Gemeinde, so baufällig sie auch sein mag.«
    Der schmale, klimatisierte Wagen sauste durch eine Stadt, wie Ingrid sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte sich einige Reiseberichte aus Südafrika angesehen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher