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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya
Autoren: Blood Ties 03 - Blutlinien
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Vortragsreisen unternehmen,
Jahre der Forschung lagen vor ihm, in denen der Inhalt des Sarges
vorsichtig studiert, entnommen und wieder weiter untersucht werden würde.
    Manchmal sah
er nur sich und seinen Stab vor sich, langsam und methodisch arbeitend. Reine Wissenschaft, reine Entdeckerfreude. Auch
in diesem Fall: Jahre der Forschung.
    Er stellte
sich den Inhalt des Sarges in jeder nur denkbaren Form oder Kombinationen
verschiedener Formen vor. In manchen Näch ten
hielt er die Beschreibung einfach, in anderen schmückte er sie aus. Keine Königsmumie würden sie finden - eher
wohl einen Prie ster oder Höfling - und so würde sie hoffentlich von der
Balsamie rung mit aromatischen Ölen
verschont sein, die die Mumie Tutanchamuns teilweise zerstört hatte.
    Er war sich der Mumie so stark bewußt, daß er sicher war, er würde in den Lagerraum gehen und seinen Container unter hunderten von
gleichaussehenden Containern herausfinden können. Seine Gedan ken kreisten nur noch um das eine, alles andere war ausgeklammert: die
See, das Schiff, die Matrosen. Einer der portugiesischen Seeleute begann, das Zeichen gegen den bösen Blick zu schlagen, wenn er dem Wissenschaftler begegnete.
    Dieser wiederum begann, jede Nacht vor dem Einschlafen mit der Mumie zu
reden.
    „Bald", sagte er ihr. „Bald."
    Er erinnerte sich an ein Gesicht, schmal und besorgt, über ihn gebeugt, und
einen Mund, der ständig etwas murmelte. Er erinnerte sich an eine Hand, an weiche, schweißfeuchte Haut, die über seine
    Augen strich und sie schloß. Er erinnerte sich an die Panik, als er
spürte, wie sich Stoff über sein Gesicht legte. Er erinnerte sich an Schmerz, als die Leinenstreifen, die den Fluch enthielten, um ihn gewickelt und
festgesteckt wurden.
    Aber an sein Ich konnte er sich nicht erinnern.
    Er sah nur ein einziges Ka, in großer Entfernung, und er wußte, daß dieses Ka
versuchte, ihn zu erreichen, ebenso wie er umgekehrt versuchte, das Ka zu erreichen.
    „Bald", sagte das Ka. „Bald".
    Er konnte warten.
    An der Verladerampe des Museums lag soviel unterdrückte Erregung in der
Luft, daß selbst der Lastwagenfahrer, dessen Ruhe gewöhnlich sprichwörtlich war, sich davon anstecken ließ. Er zog seine Autoschlüssel aus der Tasche wie ein Zauberer das Kaninchen aus
dem Hut und öffnete die Lastwagentüren mit so viel Grandezza, daß es wirkte
wie ein stummer Fanfarenstoß.
    Man hatte die Sperrholzkiste mit Kanthölzern und Gurten ver stärkt, und
sie unterschied sich in nichts von all den anderen Kisten, die das Royal Ontario Museum im Laufe der Jahre
erhalten hatte. Dennoch stand die gesamte Belegschaft der ägyptischen
Abteilung des Museums - von der niemand
einen Grund für seine Anwesenheit hier bei der Annahme hätte angeben
können - zum Empfang bereit, und Dr. Rax
strahlte die Kiste an wie die Madonna weiland das Kind in der Krippe.
    Normalerweise war es nicht Aufgabe der Präparatoren, Kisten von Lastwagen abzuladen, aber diese luden sie ab. Obwohl Dr. Rax sie am liebsten allein und eigenhändig hinauf in den Werkraum getragen hätte, trat er beiseite und ließ die Experten agieren. Seine Mumie
verdiente die Besten.
    „Heil dir im Siegerkranze." Dr. Rachel Shane, stellvertretende Kuratorin,
trat neben Rax. „Willkommen daheim, Elias. Sie wirken etwas müde."
    „Ich habe
nicht gut geschlafen", gab Rax zu und rieb sich die Augen, die bereits
rot waren.
    „Schlechtes Gewissen?"
    Er schnaubte,
merkte dann aber, daß sie nur scherzte. „Merkwür dige Träume, als würde man mich festbinden, und ich würde langsam ersticken."
    „Vielleicht sind Sie besessen." Sie wies auf die Kiste.
    Rax schnaubte
erneut. „Vielleicht versuchte das Direktorium, mit mir Kontakt aufzunehmen." Er sah um sich und fuhr den Rest der Belegschaft
an. „Haben Sie denn alle nichts besseres zu tun, als hier herumzustehen und
zuzusehen, wie eine hölzerne Kiste von einem Lastwagen
geladen wird?"
    Das machte
gerade mal die Allerjüngsten unter den studentischen Hilfskräften nervös; alle anderen Mitarbeiter schüttelten nur ge meinschaftlich
und grinsend den Kopf.
    Auch Rax konnte ein Lächeln nicht verbergen. Er war erschöpft und hätte nach all dem Kaffee und Fast food, das er auf dem langen Weg zwischen Halifax und Toronto an jedem Halt zu sich genommen hatte, dringend etwas Substantielleres gebraucht, aber er war auch in seinem ganzen Leben noch nie so freudig erregt gewesen. Dieses
Artefakt war angetan, das Royal Ontario Museum, eine
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