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Hütet euch vor Harry

Hütet euch vor Harry

Titel: Hütet euch vor Harry
Autoren: Jason Dark
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stand etwas struppig von ihrem Kopf ab. Jane hielt die Augen geschlossen, die Hände lagen auf der Decke. Ihre Finger kamen mir lang und dünn vor, die Nägel zeigten einen blassen Glanz. Ich drehte den Kopf.
    Sarah saß vor dem kleinen Tisch neben einem mit Büchern vollgestopften hellen Regal. Als sie meinen Blick auf sich gerichtet sah, hob sie die Schultern. »Keine Erklärung, John, so leid es mir tut. Ich kann dir nichts sagen.«
    »Passierte es einfach so?«
    »Ja. Praktisch von einem Augenblick zum anderen. Da sprach sie von der ungeheuren Gefahr, von einer grauenvollen Rückkehr eines Monstrums, aber ich wurde daraus nicht schlau. Zudem fiel sie immer öfter in den Zustand der Katatonie.«
    Ich schrak zusammen. »So schlimm wird es wohl nicht sein.« Katatonie ist eine Art von Geisteskrankheit. »Ich will nicht hoffen, daß so etwas passiert ist.«
    »Ich schließe nichts mehr aus.«
    Bisher hatte ich Jane noch nicht berührt. Sich weiter mit der Horror-Oma zu unterhalten, brachte nicht viel. Wenn ich Auskunft erhalten wollte, dann nur über Jane.
    Ich beugte mich vor, sprach leise und mit sanfter Stimme ihren Namen aus und hoffte auf eine Reaktion ihrerseits.
    Es kam nichts.
    Blaß, mit dünner Haut und eingefallenen Wangen, lag sie vor mir. Völlig in sich vergraben, denn sie war einfach nicht fähig, eine Antwort zu geben. Für mich war das auch kein Schlaf mehr, das kam schon einer tiefen Bewußtlosigkeit gleich.
    Aber sie atmete. Und solange ein Mensch atmet, ist immer noch Hoffnung da.
    Ich fragte Lady Sarah wieder. »Irgendein äußeres Ereignis gab es nicht, das sie…?«
    »Nein, John, ich weiß, worauf du hinauswillst. Aber ich muß dir sagen, daß dies nicht der Fall gewesen ist. Für mich grundlos tauchte sie in diesen Zustand ein, aus dem sie bisher nicht erwacht ist, obwohl ich es versucht habe.«
    »Aber sie sprach doch.«
    »Da war sie abwesend, John. Sie erwähnte dann die schreckliche Gefahr, ohne konkret zu werden.«
    Ich wußte auch nicht, was ich dagegen unternehmen sollte, aber mir kam dann eine Idee. Vielleicht konnte ich es mit dem Kreuz versuchen.
    Wenn sie dessen Kraft spürte, war es möglich, daß sie aus ihrer Lethargie erwachte.
    Es kam mir vor, als hätte sie meine Gedanken gelesen, denn plötzlich bewegte sich die Haut an ihren Wangen, und einen Moment später schlug Jane die Augen auf.
    Wir schauten uns an.
    Keiner sprach, ein jeder versuchte, im Blick des anderen zu lesen. Mir kam Janes Blick fremd vor, da lag weder Erkennen noch Wissen darin, ich empfand ihn als neutral.
    »Jane…«
    Nicht sie gab Antwort, sondern Lady Sarah, die hastig fragte: »Ist sie erwacht?«
    »Ja.«
    Die Horror-Oma stand auf, setzte sich aber gleich wieder hin. Sie hatte eingesehen, daß es besser war, wenn nur Jane und ich redeten.
    Die Detektivin bewegte ihre rechte Hand. Sie glitt auf der dünnen Decke hin und her, als hätte sie einen besonderen Grund dafür, gerade über diese Stelle zu reiben. Ihre Augenlider bewegten sich, und ich traute mich endlich, ihre Wange anzufassen. Mit den Kuppen der Finger strich ich über die Haut und stellte fest, daß sie weder kalt noch warm war, sondern sich sehr neutral anfühlte.
    Jedenfalls hatte sie kein Fieber, und sie stand offenbar auch sonst nicht unter Schock. Ihre Augen sahen klar aus, und sie schien nachzudenken.
    Ich lächelte sie an. »Kannst du mir sagen, was du da für Sachen machst, Jane?«
    »Wieso?«
    Diesmal setzte ich vor meine Antwort ein Lachen. »Na, du bist gut, Jane. Kippst hier einfach weg, als wäre nichts geschehen. Ziehst dich zurück, bist nicht mehr ansprechbar, dein Zustand wechselt extrem. Bist einmal tief deprimiert, dann wieder genau das Gegenteil davon. Überaus aufgeregt, und Lady Sarah…«
    »Ihr habt keine Ahnung«, unterbrach sie mich.
    »Ja, Jane, das glaube ich dir sogar. Du hast völlig recht, denn wir wissen nicht, was mit dir los ist. Wir haben keine Ahnung, das hast du sehr richtig festgestellt. Und da wirkeine Ahnung haben, möchte ich dich bitten, uns zu erklären, weshalb du in diese ungewöhnliche Lage hineingeraten bist.«
    Sie wich meinem Blick aus, indem sie ihren Kopf ein wenig zur Seite drehte. Sehr schwer holte sie Luft, blies dann den Atem durch die Nasenlöcher wieder aus.
    »Keine Ahnung«, wiederholte sie monoton. »Es ist schlimm, wenn man keine Ahnung hat.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wovon haben wir denn keine Ahnung? Was wissen wir nicht?«
    Sie überlegte einen Moment. Dann flüsterte sie:
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