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Hühner Voodoo (German Edition)

Hühner Voodoo (German Edition)

Titel: Hühner Voodoo (German Edition)
Autoren: Hortense Ullrich
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klingelte das Handy der Psychologin.
    «Bitte entschuldigen Sie. Normalerweise gehe ich während einer Behandlung nicht ans Telefon, aber da wir uns außerhalb meiner Sprechzeit befinden, möchte ich den Anruf gerne entgegennehmen.»
    Gwendolyn nickte.
    «Wittenfeld», meldete sie sich. «Ja, ja, ist gut. Ich komme auf der Stelle.» Sie stand auf und eilte zur Tür. «Dringender Notfall. Wir müssen abbrechen, ich muss sofort los. Es tut mir wirklich sehr leid», rief sie Gwendolyn noch zu, als sie nach ihrer Jacke griff.
    Gwendolyn folgte ihr mit sichtbarer Empörung ins Vorzimmer.
    Doktor Wittenfeld sah sich nach ihrer Empfangsdame um. «Frau Vollmer ist gerade in der Mittagspause. Wenn Sie kurz warten, können Sie mit ihr einen neuen Termin ausmachen.» Schnell schrieb sie etwas auf einen Zettel und legte ihn für ihre Mitarbeiterin auf den Empfangstisch. Dann sah sie Gwendolyn an und sagte: «Bitte sehen Sie vom Erwerb einer Waffe ab. Wir können Ihr Problem anders lösen.» – Und weg war sie.
    Gwendolyn entfernte den Zettel vom Empfangstisch, nahm einen neuen und schrieb: «Bitte Rechnung an Edna Gabler, Rosenthal 14 schicken.»
    Sie griff nach ihrem Mantel, sammelte ein paar der herumliegenden Zeitschriften ein, steckte sie in ihre Handtasche und wollte gerade gehen, als ein junger, ausgesprochen gut aussehender Mann im dunklen Anzug die Praxis betrat.
    «Guten Tag, Frau Doktor Wittenfeld. Mein Name ist Frederick Ackermann. Ich brauche Ihre Hilfe.»
    «Tut mir leid, aber ich bin nicht …»
    «Ich weiß, Sie sind nicht in der Lage, mir so kurzfristig einen Termin zu geben, aber es ist wirklich dringend. Ich zahle auch gern das doppelte Honorar.»
    Gwendolyn wollte ihn eigentlich auf seinen Irrtum hinweisen, aber die Erwähnung von Geld hielt sie davon ab. «Nun, also …», begann sie und wählte bereits instinktiv eine Psychologenstimme, als sie die Tür zum Behandlungszimmer öffnete und eine einladende Geste machte. «Nehmen Sie Platz», sagte Gwendolyn und deutete zur Couch.
    Dankbar trat Frederick Ackermann ein.
    Gwendolyn setzte sich ihm gegenüber auf den weißen Ledersessel und rückte die Vase mit der Lilie ein paar Millimeter zur Seite. Sie war bester Laune. Hoffentlich hatte sie einen echten Verrückten erwischt. Ein interessantes Business, diese Psychologie. Und lukrativ.
    Sie lächelte und begann mit ihrer Behandlung.
    «Was für ein Problem haben Sie denn?»
    «Die Ehe.»
    «Wie lange sind Sie denn schon verheiratet?»
    «Ich bin nicht verheiratet!»
    «Dann haben Sie auch kein Eheproblem!»
    «Doch. Ich hab ein Problem mit der Ehe. Ich möchte gerne heiraten. Aber Sandra …» Er brach ab.
    «… aber Sandra will nicht», ergänzte Gwendolyn für ihn.
    «Nein, das ist es nicht. Sie will, ich will, … aber ich … ich glaube, ich sollte nicht.»
    Gwendolyn machte ein ziemlich enttäuschtes Gesicht. Wie langweilig. Das war alles? Er glaubte, er sollte seine Freundin nicht heiraten? Sandra war doch seine Freundin, oder? Hoffnung keimte auf.
    «Ist Sandra vielleicht Ihre Mutter ?»
    «Nein!», rief Frederick entsetzt.
    «Ihre Schwester?»
    «Ich habe keine Schwester.»
    «Würden Sie denn Ihre Schwester heiraten wollen, wenn Sie eine Schwester hätten?», bohrte Gwendolyn weiter.
    «Sandra ist nicht mit mir verwandt. Ich kann sie nicht heiraten, weil ich sie höchstwahrscheinlich umbringen werde.»
    «Umbringen?» Gwendolyn sah ihn fasziniert an. «Hervorragend!» Sie strahlte. «Das nenn ich ein Problem. Legen Sie sich doch bitte hin und erzählen Sie mal ausführlich von sich.»
    Frederick Ackermann berichtete, dass er 39 sei und Single aus Notwendigkeit, nicht aus Überzeugung, was wohl mit seinem eher ungewöhnlichen Beruf zusammenhängen könnte: Er war Leichenbestatter, und zwar aus Leidenschaft. Er führte seit dem Tode seiner Eltern das Familienunternehmen, das auf eine lange Tradition zurückblickte. Schon als kleiner Junge machte er sich mit der Materie vertraut. Sein bester Freund war der städtische Totengräber, mit dem er viel Zeit verbrachte. Zu Weihnachten standen auf seiner Wunschliste Bücher mit Titeln wie Begräbnisrituale im Wandel der Zeit und Wie ich meine Freunde zu Grabe trug , eine nicht unumstrittene Biographie des Ober-Leichengräbers des Wiener Zentralfriedhofs. Für seine Familie war das normal, und man freute sich, dass der einzige Sohn so viel Interesse und Enthusiasmus für das Familienunternehmen zeigte. Deshalb schenkte man dem kleinen Frederick zu Weihnachten
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