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Hühner Voodoo (German Edition)

Hühner Voodoo (German Edition)

Titel: Hühner Voodoo (German Edition)
Autoren: Hortense Ullrich
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ein paar ausrangierte Musterschilder und zwei, drei Schilder, die nicht abgeholt wurden. Die sind günstiger.» Er hatte durchaus verstanden, was ihr Problem war.
    Sie begleitete ihn ins Lager, und er ließ sie eine Kiste mit besagten Schildern durchwühlen. Schließlich zog sie eins hervor.
    Der Name gefiel ihr ausgesprochen gut. Und sie erkannte blitzschnell eine Reihe von Vorteilen darin, für ihre neue Tätigkeit nicht ihren eigenen Namen zu verwenden.
    «Das nehme ich», entschied sie. Sie entschied ebenfalls, nichts dafür zu bezahlen, und ging.
    Der Schildermacher lief ihr hinterher, blieb am Eingang seines Geschäftes stehen und rief: «Entschuldigen Sie bitte.»
    Gwendolyn drehte sich um und sah ihn an. «Ja?»
    «Ähm … viel Spaß mit dem Schild. Ich schenke es Ihnen.»
    «Danke, ich werde Sie weiterempfehlen.»
    «Nein, bitte nicht», sagte er und ging wieder zurück in seinen Laden.
    «Merkwürdiger Geschäftsmann», murmelte Gwendolyn.
    Sie blickte lächelnd auf das Schild. In schönster Arnold-Böcklin-Jugendstilschrift stand dort: «Luna Madison». Sonst nichts. Nur: «Luna Madison». Sie steckte es in ihre Tasche. Heute hatte sie eine Arzttasche gewählt; sie hielt es für angebracht, aufgrund ihrer neuen Profession, denn sie hatte vor, Frederick Ackermann zu besuchen.

    Das Bestattungsinstitut war in einem sehr gut erhaltenen und aufwendig renovierten Barockgebäude untergebracht.
    Ein Vorfahr Fredericks, Heinrich Ackermann, hatte es im Jahre 1763 günstig erwerben können. Der siebenjährige Krieg war gerade zu einem Ende gekommen, der Vorbesitzer, ein französischer Geschäftsmann, war durch den für ihn ungünstigen Ausgang des britisch-französischen Konfliktes in Nordamerika gezwungen, sich von einigen Besitztümern zu verabschieden. Das Geschäft Heinrichs hatte in den letzten Jahren kriegsbedingt geboomt, und er sah die Notwendigkeit und Chance, sich zu vergrößern. Seither war dieses Gebäude der Arbeitsplatz und Wohnsitz der Familie Ackermann.
    Dem Gebäude haftete etwas Schweres an. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und leichtem Schauer betrat Gwendolyn das Haus.
    Das ungute Gefühl verflog jedoch sofort wieder, als eine junge Frau sie im Foyer ansprach und nach ihren Wünschen fragte.
    «Ist Herr Ackermann zu sprechen?», erkundigte sich Gwendolyn.
    «Zurzeit nicht. Er ist mit einer Kundin im Gespräch.»
    «Sind Ihre Kunden nicht tot?»
    «Nein, also, nun ja, ich meinte damit, er ist mit der Angehörigen eines Verstorbenen im Gespräch. Aber vielleicht kann ich Ihnen ja auch helfen?»
    «Nein. Ich warte auf Herrn Ackermann.»
    «Gut. Nehmen Sie doch so lange Platz», bot die junge Frau an und deutete auf einen goldfarbenen, mit schwarzem Samt bezogenen barocken Sessel im Foyer.
    Gwendolyn saß kaum, da sprang sie wieder auf, lächelte und sagte: «Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, Sie können mir doch helfen.»
    «Gerne. Was kann ich für Sie tun?»
    «Ich möchte ein paar Särge ausprobieren.»
    «Ähm. Also, Sie meinen, Sie möchten ein paar Modelle sehen?»
    «Nein, ich möchte sie ausprobieren. Probeliegen. Sie verstehen?»
    Die Angestellte blickte etwas unglücklich drein. Sie arbeitete noch nicht sehr lange bei Herrn Ackermann. In einem Bestattungsinstitut Arbeit zu finden, war auch nicht Chantal Fischers erste Wahl gewesen. Nachdem all ihre Bewerbungen in den von ihr favorisierten Bekleidungs- und Kosmetikläden abschlägig beschieden wurden, reagierte sie schließlich auf eine Anzeige des Bestattungsinstituts Ackermann, in der eine Empfangsdame gesucht wurde. Chantal hatte keine Konkurrenz und bekam den Job sofort. Frau Reichelt, Chantals Vorgängerin, hatte sich mit einem Burnout-Syndrom langfristig krankgemeldet. Trotz der angespannten Arbeitsmarktlage und obwohl Fredericks Sozialleistungen sich sehen lassen konnten – 13 Monatsgehälter, Weihnachtsgeld, 31 Urlaubstage, 30% Nachlass bei Inanspruchnahme der Dienste des Unternehmens –, war es für Frederick nicht einfach, Mitarbeiter zu finden.
    Chantals Aufgaben waren klar umrissen: Wenn das Telefon klingelte, abheben, höflich nach den Wünschen fragen und an einen geschulten Mitarbeiter weiterleiten. Das Gleiche galt für Leute, die höchstpersönlich vorbeikamen. Soweit hatte sie das bei Gwendolyn ganz gut hinbekommen. Doch was nun? Da ihr Chef immer sagte, der Kunde sei König und dass sie es sich zur Aufgabe machen müssten, jeden noch so kuriosen Wunsch der Kunden zu erfüllen und dabei freundlich zu lächeln,
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