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Hühner Voodoo (German Edition)

Hühner Voodoo (German Edition)

Titel: Hühner Voodoo (German Edition)
Autoren: Hortense Ullrich
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und flüsterte: «Ich nehme mir da auch immer ein Stück für zu Hause mit. So spare ich Geld.»
    Neue beste Freundin, entschied Gwendolyn. Aber eins musste sie noch klären: «An dieses Hühner Voodoo glauben Sie doch nicht wirklich?»
    «Oh nein.»
    Gwendolyn nickte und grinste.
    «Ich glaube nicht daran», fuhr Bernadette fort, «ich weiß , dass es funktioniert.»
    Beste Freundin ade. Aber die Aussicht auf einen kostenlosen Kaffee und ein Stück Kuchen ließ Gwendolyn das Gespräch fortführen.
    «Und aus welchem Grund machen Sie das?»
    «Um Leuten zu helfen. Ich kann aus den Knochen Antworten auf Lebensfragen herauslesen. Eine Art Orakel. Für mich ist es wichtig, eine Aufgabe zu haben. Und anderen zu helfen, ist eine sehr schöne Aufgabe.»
    «Ach was. Und es kommen tatsächlich Leute zu Ihnen, die sich ihre Zukunft aus Hühnerknochen vorhersagen lassen?»
    «Ja.»
    «Was sind das denn für Leute?»
    «Na ja, heute waren zwei ältere Damen da, die fragten, ob sie sich mal kurz setzen dürften, weil sie erschöpft sind. Ein Betrunkener, der ein halbes Hähnchen bestellte. Ich glaube, er hat das mit dem Hühner Voodoo missverstanden. Und ein junges Mädchen, ganz in Schwarz gekleidet, mit kleinen Knochen als Ohrringe. Für sie sollte ich herausfinden, ob es okay sei, wenn sie ihrem Freund eine Bierflasche über den Schädel zieht – ihre Worte, nicht meine –, weil er sie betrügt.»
    «Und, was haben die Knochen gesagt?»
    «Dafür brauchte ich nicht mein Hühner Voodoo zu befragen, das wusste ich auch so. Ich hab ihr abgeraten.»
    «Ah ja. Und was machen Sie jetzt?»
    «Na, Kuchen essen.»
    «Nein, bezüglich Ihres … Hühner Voodoos, meine ich.»
    «Oh. Tja, ich weiß nicht. Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass sie mich erwischen. Auf Dauer muss ich mir was anderes einfallen lassen.»
    Bernadette Kunz, jenseits der 60, sanfte Stimme, rosig, rundlich, freundlich, lebte nach wie vor in dem kleinen Reihenhaus, in dem sie aufgewachsen war. Bis vor ein paar Jahren noch mit ihren Eltern. Diese hatten lange gehofft, ihre Tochter würde irgendwann einmal ausziehen, doch als Bernadette auch nach ihrer Pensionierung immer noch keine Anstalten machte, das Haus zu verlassen, beschlossen ihre Eltern, selbst auszuziehen. In ein sehr nettes Seniorenheim.
    Bernadette hatte als Gemeindeschwester für die katholische Kirche gearbeitet. Als sie ihren Ruhestand antrat, konnte sie sich ganz ihrem Hobby widmen: Hühner Voodoo. Die wichtigen Entscheidungen ihres Lebens – pflanze ich vor den Eisheiligen schon Begonien? Lohnt sich der Kauf von Sonnencreme in diesem Jahr? Vollkornbrot oder Toast? – traf sie stets mit Hilfe ihres Orakels: Sie las die Antworten aus Hühnerknochen. Sie hatte meistens welche dabei. Falls nicht, war dem Problem schnell mit dem Kauf eines halben Hähnchens an der nächsten Pommesbude oder Chicken Wings in einem Fastfood-Restaurant abgeholfen.
    Ihrem Bedürfnis entsprechend, Gutes zu tun, hatte sie vor kurzem beschlossen, diese Lebenshilfe nun auch anderen Leuten zugänglich zu machen. Sich mit einem Tisch in die Fußgängerzone zu setzen, war suboptimal, aber ihr war nichts Besseres eingefallen.
    Nachdem sie gegessen hatten, bezahlte Bernadette, und Gwendolyn verabschiedete sich mit den Worten: «Man sieht sich» – ihre Umschreibung für «Ich habe kein Interesse an Ihnen». Aber zumindest war sie zu kostenlosem Kaffee und Kuchen gekommen, und sie hatte Frühstücksmuffins und Nachmittagskuchen für den nächsten Tag.

    Das Leben war gut zu ihr. Nach der schlechten Nachricht am Vormittag hatte es ihr einen Weg aus ihrer Misere aufgezeigt. Sie war nun Psychologin. Zieglers Vorschlag, das Souterrain in ihrem Haus zu nutzen, war perfekt. Dort würde sie ihre Praxis eröffnen.

[zur Inhaltsübersicht]
    ZWEI
    Gleich am nächsten Tag machte Gwendolyn sich auf den Weg zu einem Schildermacher. Sie wollte sich ein Praxisschild anfertigen lassen. «Gwendolyn Herzog von Wohlrath – Psychologin – Termine nach Vereinbarung.»
    Der Name «von Wohlrath» war ein Überbleibsel ihrer ersten Ehe. Sie hatte den Namen auch während der nächsten Ehen beibehalten, da er in Kombination mit ihrem Mädchennamen Herzog wirklich etwas hermachte: «Herzog von Wohlrath».
    Beim Schildermacher stellte sich heraus, dass er für seine Arbeit Geld haben wollte.
    «Haben Sie auch gebrauchte Schilder?»
    «Nein», sagte er, bot aber, nachdem sich eine ärgerliche Falte zwischen Gwendolyns Augenbrauen bildete, an: «Wir haben
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