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Horror Factory 13 - Epitaph

Horror Factory 13 - Epitaph

Titel: Horror Factory 13 - Epitaph
Autoren: Michael Marrak
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ich nicht sagen, ob es wirklich Gebäude waren. Schemenhaft wuchsen die Säulen aus bodenloser Finsternis empor und verloren sich über uns in ebensolcher wieder. Ein rostbrauner, mit Blicken kaum zu durchdringender Dunst erfüllte diesen sich ins scheinbar Unendliche ausdehnenden Ort.
    An der Fassade des gegenüberliegenden Turmes, vielleicht zweihundert Meter entfernt, erkannte ich die Konturen einer weiteren Uhr, ähnlich der, an die ich gebunden war. Kniff ich die Augen zusammen, bildete ich mir sogar ein, jedes der umliegenden Gebäude werde von einem derartigen Chronometergebilde geziert – mit Zeigern aus grotesk in die Länge verzerrten Menschen, die um ein schwarzes, konturloses Zentrum kreisten. 
    Fernes Wispern und Raunen erfüllte die Luft, bisweilen überstimmt von verhaltenem Gesang, Weinen, Fauchen oder gespenstischem Heulen. Es war ein nie endendes Flüstern und Munkeln aus Legionen von Kehlen, das sich ab und an zu einer einzigen Stimme zu vereinen schien, die raunte: »Adema, Adema …«
    Ich betrachtete das lange Gesicht des Stundengreises. »Wer sind Sie?«, fragte ich ihn. »Was ist das für ein Ort?«
    Mein Gegenüber gab ein undefinierbares Geräusch von sich und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Aus einem Quader stürzen die milden Gaben. Das Schiff des Tiers hat es verlernt, zu glänzen. Gegenüber einem Wall zersplittern die runden Galaxien. Des Sterbens Zeit kämpft für immer und ewig.« Er stieß ein Bellen aus, zweimal, dreimal, wie ein Hund.
    Irritiert sah ich hinüber zur sich mit geschlossenen Augen nähernden Sekundenfrau. Sie wirkte überrascht, als wir uns berührten. Im Davonschweben blickte sie halb verlegen, halb verunsichert zu mir zurück.
    »Warum sehen Sie mich so an?«, wollte sie wissen.
    Ich schüttelte den Kopf und entließ sie schweigend in eine neue Runde.
    »Gott ist ein fensterloser Schrecken«, meldete der Stundenzeiger sich zu Wort. »Verrückte, Sterne, Pfade, kaum etwas schwankt.«
    »Gott?« Die Macht im Zentrum der Uhr zwang mich eine Minute näher an den verrückten Stundenzeiger heran. Neigte ich meinen Kopf nach vorn, stieß ich bereits gegen den seinen. »Stecken Sie mit Gott unter einer Decke?«, versuchte ich ihn zu provozieren.
    »Sehe ich aus, als besäße ich seine Gabe?«, verirrte sich erstmals ein verständlicher Satz aus seinem Mund.
    Verwundert sah ich den Greis an. »Jener, der mich hierher schickt, ist überzeugt davon.«
    »Dann ist zweifellos jener, der Sie schickt, Gott; denn nur er vermag es, die Abtrünnigen in den Siol zu verbannen.«
    »Adema!« , erscholl es aus allen Richtungen her im Chor. Ich starrte auf die Uhren im Dunst.
    »Ringe, Monde, Fragmente, alles fordert Blut«, begann der Stundenzeiger wieder zu salbadern. »Wenn die Engel verstummen, versiegen die Quellen. Das Denken verbrennt die Pest, der Herrscher verblasst im Vakuum.« Er lächelte und schloss die Augen.
    »Ich wusste, dass Sie kommen würden«, übernahm die sich nähernde Sekundenfrau das Wort.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe von Ihnen geträumt.«
    »Geträumt?«
    Ich wünschte, sie in die Arme schließen zu können, als sie über mich hinwegglitt. Sie genoss die Berührung ebenfalls und lächelte ihr überdimensionales Lächeln.
    »Ja«, flüsterte sie, bevor die Dunkelheit sie wieder verschluckte. »Lange bevor Sie kamen …«
    Ich holte Luft, um eine Antwort zu rufen, als meine Umgebung sich veränderte. Plötzlich lag ich wieder in dem geräumigen Nest auf dem Steinwall hoch über dem Meer. Sie saß reglos zu meinen Füßen und starrte mich schweigend an, während die riesige Spinne mit dem Fötus-Abdomen bedrohlich nahe neben meinem Gesicht kauerte. Das blinde, in ihrem Opisthosoma schwimmende Wesen hatte sich mir zugewandt und presste beide Hände gegen die Innenseite des Leibes. Trotz der Flüssigkeit, in der es trieb, glaubte ich seine Stimme zu hören. Sie klang dumpf und unbeschreiblich tief: »Adema! Adema!«
    Als die Vorderbeine der Spinne mein Gesicht berührten, schloss ich die Augen. Ich fühlte ihr Tasten auf meiner Schläfe, dann die Stiche ihrer Zähne und das Brennen des Giftes unter meiner Haut. Rasch breitete die Taubheit sich über mein Gesicht aus, erfasste meinen Körper und lähmte meine Glieder. Während meine Sinne schwanden, grub die Spinne ihre Kieferklauen in meinen Schädel und begann mein sich langsam verflüssigendes Hirn einzusaugen …
*
    Rechter Hand näherte sich die Sekundenfrau. Ihre Augen waren geweitet, ihr
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