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Homogen

Homogen

Titel: Homogen
Autoren: Franziska Nelka
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konnte doch nicht sein? Der Gedanke, er könne die Schuld am Tode eines Menschen tragen, trieb ihm kleine Schweißperlen auf die Stirn. Nervös nahm er den Telefonhörer in die Hand und wählte Gordons Nummer. Nach mehreren Minuten legte er wieder auf. Gordon war offensichtlich nicht erreichbar.

     
     
    Abrupt stand Christian auf und kramte in seinem CD Schrank herum. Mit zitternden Händen legte er eine CD in die Anlage und setzte sich wieder hin. Er lauschte der Musik. Es war eine leichte Klassik, die den Raum mit herrlich sanften Tönen umspielte. Schon immer hatte ihn Musik beruhigen können und auch dieses Mal, erhoffte er sich etwas Hilfe von der Poesie der Klänge.

     
     
    Nach ein paar Minuten schien er auch schon etwas gelockerter zu sein. Wie trunken schweiften seine Gedanken durch den Raum, auf einmal frei von der Gefangenschaft der irdischen Gesetze und schließlich losgerissen von der engen Umgürtung der Moralität. Christian bildete sich ein, alles sei nur ein schlechter Traum, aus dem er nur erwachen müsste.
    Er entfloh in das strahlende Imperium der Töne, die gemeinsam die wundervollsten Lieder erschafften. Es war ein einziger Tanz durch den Saal des Vergessens, dessen Rhythmus die unausgesprochenen Worte in seinem Kopf waren und die Begleitung der Hoffnungsschimmer nach Erlösung.

     
     

    Zwei Tage zuvor (Rückblick)

     
     

    In der stillen Morgenröte, die so sanft die düstere Nacht beendet, taumelte Christian aus seinem Schlafzimmer, um sich seiner routinierten Alltagsprozedur zu unterziehen: Waschen, Zähneputzen, Anziehen und zur Arbeit gehen. Es war der 24. Mai des Jahres 2009 und ein Montagmorgen.
    Er ging seinen gewohnten Weg zur Untergrundbahn und bewunderte unterwegs die schöne Frühlingslandschaft. Die Vögel zwitscherten fröhlich im morgendlichen Sonnenschein. Christian bedauerte, dass er diesen sonnigen Tag wieder einmal mit Arbeit verbringen sollte.

     
     
    Er wohnte am Stadtrand in einer sehr gemütlichen Wohnung im Grünen. Lange hatte er nach solch einer Wohnung gesucht. Sie war nicht zu teuer, lag ruhig und dennoch konnte man alles gut erreichen. Nachdem der junge Modedesigner in etlichen Einrichtungskatalogen gestöbert hatte, war seine Wunschvorstellung von dem perfekten Mobiliar und Accessoires auch endlich ausführbar. An Geld fehlte es ihm auch nicht. Somit konnte er sich nach Herzenslust an seiner neuen Wohnung austoben, bis sie schließlich endlich seinen hohen Standards entsprach.

     
     
    Die Untergrundbahn war wie immer stark mit Menschen gefüllt und Christian presste sich in eine Ecke, um die drei   Haltestellen unbeschadet zu überstehen. Gehetze Gesichter, sowie schlaftrunkene waren in der Bahn zu sehen. Es war immer wieder amüsant zu beobachten, wie die Menschen in der morgendlichen Eile versuchten, munter zu werden. Die einen lasen und versteckten ihr Gesicht hinter der raschelnden Zeitung. Die anderen hörten Musik und blickten dabei verstohlen aus dem Fenster. Christian war keiner von diesem Typus. Er beobachtete gern und hatte damit schon manchen Fahrgast nervös gemacht. Wenngleich er nicht sonderlich gern Untergrundbahn fuhr, war sie doch zumindest praktisch und umweltfreundlich. Schon zweimal hatte er Anlauf genommen seinen Führerschein zu machen, aber immer hatte es an einem Detail gehapert. Er war einfach kein geborener Autofahrer.

     
     
    Das Gedränge an seiner Haltestelle überwunden, schlenderte Christian zu seiner Arbeit. Er hatte seinen Traum wahr gemacht und es geschafft in einem renommierten Modeatelier als Designer zu arbeiten. Wenn er manchmal auf den Weg dahin zurückblickte, auf die vielen Stolpersteine, die er überwunden hatte, bis er endlich seiner Berufung folgen konnte, musste er nur kopfschüttelnd in sich hinein lächeln. Jetzt wusste er erst richtig zu schätzen, was er da tat. Obwohl er sich gern einige Erfahrungen erspart hätte.
    Um sein Studium zu finanzieren, hatte er damals des Öfteren als Aushilfe in einem Lokal gearbeitet.
    Dort war er häufig   Zielscheibe der betrunkenen Gäste für ihre Missachtung gegenüber allen Schwulen oder er wurde wie ein Zirkusaffe betrachtet und mit peinlichen Fragen bombardiert. Damals hatte er sogar so etwas wie einen Protegé gehabt. Einen älteren Herren, der sich gern mit ihm schmückte und wohl noch mehr, hätte ihn Christian nur gelassen. Dafür bekam er bisweilen ein paar Scheine zugesteckt.

     
     
    Christian wusste schon damals um seine Schönheit. Er wurde gesegnet
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