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Hollisch verliebt

Hollisch verliebt

Titel: Hollisch verliebt
Autoren: Showalter Gena
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Erleichterung, und sein allgegenwärtiger Hunger wurde ihm nur noch bewusster. Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und das schmerzende Zahnfleisch. Er wollte sie beißen, wollte trinken, langsam und genüsslich. Trinken und trinken.
    Natürlich, auch ohne Fangzähne konnte er beißen, und wäre sie ein Mensch gewesen, hätte er sie sogar leer trinken können. Aber die Haut von Vampiren war so hart und glatt wie poliertes Elfenbein. Mit seinen Zähnen käme er an keine Ader heran. Er brauchte je la nune, die einzige Substanz, die Vampirhaut durchdringen konnte. Das Problem war nur, dass es ihnen ausgegangen war. Somit blieb ihm nur eine Möglichkeit, zu bekommen, was er wollte.
    „Victoria“, flüsterte er.
    Offenbar hatte sie sich noch nicht von ihrem letzten Tête-à-Tête erholt, denn sie reagierte nicht auf seine Stimme. Unter seinem Hunger flackerten Schuldgefühle auf. Er sollte aufstehen und sie in Ruhe lassen, damit sie sich erholen konnte. Sie hatte ihm in den letzten Tagen – Wochen? Jahren? – so viel Blut gegeben, dass kaum noch etwas übrig sein konnte.
    „Victoria.“ Er konnte ihren Namen nicht länger zurückhalten. Jeden Augenblick des Tages verspürte er diesen Hunger. Er wurde stärker und stärker, lullte ihn ein und umklammerte seine Seele. Trotzdem würde er nur einen Tropfen trinken, nur den kleinen Schluck, den er sich versprochen hatte. Dann würde er sie in Ruhe weiterschlafen lassen.
    Bis er mehr brauchte.
    Mehr bekommst du nicht, schon vergessen? Das ist das letzte Mal.
    „Wach für mich auf, meine Süße.“ Er küsste sie auf die Lippen, fester, als er es gewollt hatte. Ein Kuss für sein Schneewittchen.
    Wie das Mädchen im Märchen öffnete Victoria blinzelnd die Augen. Sie glichen reinen Kristallen, tief und unergründlich. Auch in ihnen lag ein unbestimmter Hunger.
    „Aden?“ Sie rekelte sich wie ein Kätzchen, streckte die Arme über den Kopf und drückte den Rücken durch. Ein leises Schnurren drang aus ihrer Kehle. „Ist es wieder so schlimm?“
    Das Kleid klaffte über ihrer Brust auseinander, ein wenig nur, aber weit genug, dass er die Tätowierung über ihrem Herzen sehen konnte. Die schwarze Farbe war verblasst, bald würde sie ganz verschwunden sein. Dabei waren die verwirbelten Kreise, die sich in der Mitte trafen, mehr als ein hübscher Körperschmuck. Sie bildeten einen Schutzzauberauf ihrer Haut, der sie vor dem Tod bewahrte. Ohne ihn wäre sie gestorben, als sie ihm damals, beim ersten Mal, einen Großteil ihres Blutes zu trinken gegeben hatte.
    Er hätte gern gewusst, wie lange das her war, aber Zeit existierte für ihn nicht mehr. Es gab nur noch das Hier und Jetzt – und sie. Immer nur sie. Immer diesen Hunger, diesen Durst, die zu einem wilden, verzehrenden Verlangen verschmolzen. Sie zog ein Knie an, sodass es gegen seinen Hüftknochen gepresst war, und er drängte sich noch enger an sie. Was für ein intimer Moment! Aber es blieb keine Zeit, ihn zu genießen. Ihnen blieben ein, vielleicht zwei Minuten, bis die Stimmen Victorias Konzentration störten und er vom Brüllen des Monsters abgelenkt werden würde.
    Eine Minute, bis sie ihrem düsteren Wesen nachgeben würden.
    „Bitte.“ Mehr sagte er nicht. Vor seinen Augen flimmerten nun schwarze Spinnweben, sie wurden dicker und dichter, bis er nur noch ihren Hals sehen konnte. Sein Zahnfleisch schmerzte unerträglich, und er fürchtete fast, er würde anfangen zu sabbern.
    „Ja“, sagte sie, ohne zu zögern. Sie schlang die Arme um ihn, vergrub die Hände in seinem Haar und zog ihn näher, um ihn zu küssen.
    Ihre Zungen trafen sich, und einen Augenblick lang verlor er sich in Victorias süßem Geschmack. Sie glich köstlicher Schokolade, gemischt mit Chili, sanft und gleichzeitig scharf. Wären sie doch einfach nur ein Junge und ein Mädchen gewesen, dann hätten sie sich nichts als geküsst, und er hätte vielleicht versucht, weiter zu gehen. Vielleicht hätte sie ihn abgewiesen. Oder ihn gebeten, weiterzumachen. Auf jeden Fall hätte es für beide nur den anderen gegeben. Aber jetzt war nichts wichtiger als das Blut.
    „Bereit?“, hauchte sie. Sie war seine Dealerin, seine Lieferantin und seine Droge, alles in allem unwiderstehlich. Er wollte sie dafür hassen. Ein Teil von ihm, der neue, finstere Teil, tat das auch. Der Rest liebte sie grenzenlos.
    Irgendwann würden die beiden Teile miteinander kämpfen.
    Und Kämpfe konnten tödlich enden.
    „Bereit?“, wiederholte sie.
    „Tu es.“
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