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HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK

HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK

Titel: HOFFNUNG AUF DAS GROSSE GLÜCK
Autoren: JOANNA MAITLAND
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aussehen.“
    Hugo lächelte kurz. „Mit nur einem gesunden Arm hätte ich Ihnen nicht aufhelfen können, wenn Sie gestürzt wären. Daher blieb mir nichts anderes übrig, als Sie festzuhalten, solange ich noch die Gelegenheit dazu hatte.“
    Emma starrte ihn mit unverhohlenem Erstaunen an. Konnte er wirklich über seine Situation scherzen? Diesmal irrte sie sich gewiss nicht, oder?
    Sie beugte sich rasch hinunter, um seinen Stock aufzuheben – und um ihre wirren Gedanken vor seinen durchdringenden Blicken zu verbergen. Es gelang ihr nicht, ihn zu durchschauen. Der Freund ihrer Kindheit war nicht verloren. Es gab ihn, irgendwo. Aber er war verborgen hinter diesem sonderbaren Chamäleon von einem Mann.
    „Bitte, Sir.“ Mit ausdrucksloser Miene reichte sie ihm den Stock.
    „Danke, Madam“, erwiderte er höflich. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen zwischen ihnen. Dann überraschte Hugo sie erneut, als er sagte: „Ich war gerade im Begriff, zum Haus zurückzukehren. Wenn es Ihnen nicht zu langweilig ist, würde es mich freuen, wenn Sie mich ein Stück weit begleiten.“
    Emma nickte. Sie war erstaunt. Was war geschehen? Er klang so …
    „Ich bedaure jedoch“, fuhr Hugo in demselben höflichen Tonfall fort, „dass ich Ihnen nicht meinen Arm anbieten kann.“ Während er sprach, schwenkte er mit der rechten Hand seinen Stock.
    Emma lächelte, erwiderte indes nichts. Zwanzig Minuten lang gingen sie langsam nebeneinander her den Pfad entlang, in einvernehmlichem Schweigen. Tannennadeln und trockene Blätter vom vergangenen Herbst raschelten unter ihren Füßen. Irgendwo in der Ferne klopfte ein Specht.
    Bis Emma sich ihre Worte zurechtgelegt hatte, waren sie am Waldrand angekommen. Von da aus führte ein Weg direkt zu den Stallungen und zum Haus. Jeder, der aus einem der Fenster blickte, konnte sie jetzt sehen.
    Emma blieb stehen und wartete, dass Hugo sich zu ihr umdrehte. Sie lächelte ihn unschuldig an und hoffte auf irgendeine Reaktion von ihm. Bei anderen Männern hätte sie genau gewusst, was sie zu erwarten hatte, aber Hugo verhielt sich unberechenbar.
    Endlich schien seine Miene sich zu entspannen.
    „Major“, begann sie sanft. „Ich hoffe sehr, dass Sie unsere Einladung zum Dinner annehmen.“ Er runzelte die Stirn, doch sie sprach rasch weiter. „Es wird keine große Angelegenheit, müssen Sie wissen, nur wir, die Hardinges und ein paar alte Freunde. Sie erinnern sich sicher an den Pfarrer und Mrs. Greenwood und an Mrs. Halliday? Sie alle würden sich sehr freuen, Sie wiederzusehen.“ Sie senkte den Blick und sprach ein wenig leiser weiter. „Ich versichere Ihnen, dass sie alle bessere Manieren haben als ich. Niemand wird Sie in Verlegenheit bringen.“
    Emma fühlte, wie sie errötete. Sie wagte nicht, ihn anzusehen.
    „Wie kann ich jetzt noch ablehnen?“, fragte Hugo ebenso leise.
    Als Emma den Kopf hob, hinkte er bereits zum Haus hinüber. Sie hatte gewonnen.
    Und sie hatte versprochen, dass in ihrem Haus niemand Hugo in Verlegenheit bringen würde. Konnte sie dieses Versprechen wirklich halten?

4. KAPITEL
    Hugo lag in den Kissen und blickte durch die geöffneten Bettvorhänge auf das erste Licht des frühen Morgens. Die Jahre auf der Iberischen Halbinsel hatten ihn gelehrt, die endlose Weite des Nachthimmels zu lieben und ebenso die ewigen Bilder der Sterne. Niemals würde er zulassen, dass zugezogene Bettvorhänge all das ausschlössen – oder ihn einschlössen.
    Vorsichtig hob er die verletzte linke Schulter, sodass er die Arme hinter dem Kopf verschränken konnte. Diese einfache Bewegung, die ihm bislang nie gelungen war, verlieh ihm Befriedigung. Ja, er machte Fortschritte, wenn auch nur kleine.
    Er dachte an den Tag, der vor ihm lag – und an den Abend. Es war dumm von ihm gewesen, Emmas Einladung zu akzeptieren. Das übliche Entsetzen und Mitleid wegen seiner Verwundungen würde für ihn zu Peinlichkeiten führen. Aber sie war so zerknirscht gewesen wegen ihrer katastrophalen ersten Begegnung. Und einen winzigen Moment lang hatte er sich beinahe wie früher gefühlt.
    Hugo stöhnte laut auf. Es war gefährlich, Emma derart deutlich vor sich zu sehen. Ihr figurbetontes Reitkleid würde das Blut jedes Mannes in Wallung bringen, und die lange Feder, die an ihrem kecken kleinen Hut wippte, hatte ihre Wange gestreichelt wie die Hand eines Liebhabers. Er wusste, dass sie versuchte, ihn einzuwickeln, doch selbst als er gemerkt hatte, wie geschickt sie ihre großen blauen Augen
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