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Hörig (German Edition)

Hörig (German Edition)

Titel: Hörig (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
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wieder aufflackernden Hoffnung und der endgültigen Gewissheit war wie ein kleines Tier in ihrem Gehirn. Mit scharfen Zähnen fraß es zuerst die munteren Spatzen, dann die träge kriechenden Schnecken, fraß alle Gedanken, den Mut, die Kraft und jeden Funken Wille, den sie in sich hatte.
    Nach einer Ewigkeit schaffte sie es, die Zahnbürste zu nehmen und den Wasserhahn aufzudrehen. Dann putzte sie sich die Zähne mit warmem Wasser, zog sich aus. Am Beckenrand stand ein noch halb gefüllter Seifenspender. Magnolienduft, damit wusch sie sich. Eddi würde sie identifizieren müssen, aber er sollte dabei nicht die Nase rümpfen und sich ihrer nicht schämen. Nach Schweiß wollte sie nicht riechen.
    Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, nahm sie eins von den Unterhemden aus dem Koffer. Wenn man nicht genau hinschaute, konnte man es für ein T-Shirt halten. Sie nahm auch eine der Jeans. Darin würde sie sich zu Tode schwitzen, aber nicht lange. Und die Sachen rochen wenigstens frisch gewaschen.
    Dann stand sie wieder im Gang vor der Werkstatttür – auf alles gefasst, nur nicht auf das, was tatsächlich geschah.
    Als sie zögernd die Werkstatt betrat, hantierte Heiko mit den Goldblechen an der Esse, nahm sie von einer Hand in die andere, als wolle er ihr Gewicht abschätzen. Er schien ein wenig verstimmt und drehte sich langsam zu ihr um.
    «Du hast dir aber viel Zeit gelassen», stellte er fest. «So weit her kann es mit deiner Lust nicht sein. Na ja, wenn du schlecht geschlafen hast, wundert mich das nicht. Wenn ich müde bin, kriege ich auch keinen hoch. Verschieben wir es auf heute Abend. Es eilt ja nicht.»
    In ihrem Kopf überschlug es sich wieder. Bilder purzelten übereinander, so rasch, dass sie ihnen kaum folgen konnte. Der Dicke hatte doch den Koffer aus dem Auto geholt! Und sich über den Inhalt hergemacht. Wahrscheinlich war er nur scharf auf ihre Unterwäsche gewesen. Er sah aus wie einer, der Höschen und Büstenhalter von Wäscheleinen stahl und damit im stillen Kämmerlein onanierte. Aber dann hatte er das nette Präsent entdeckt und eingesteckt, ohne Heiko etwas davon zu sagen.
    Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, die Ideen und die Worte. Aber während sie all das dachte oder vor sich sah, sagte sie in beinahe forschem Ton: «Was heißt hier Lust? Die hatte ich gestern schon, wie du weißt. Und wer hat mich gestern gefragt, wie lange ich für die Arbeit hier brauche? Wer hat mir erklärt, dass zwei Wochen zu lange sind?»
    Musste sie ihn warnen? Vermutlich sollte sie das tun, und zwar unbedingt. Der Dicke plante irgendeine Scheußlichkeit. Anderenfalls hätte er Heiko die Pistole doch gezeigt.
Sieh mal, was deine Püppi mit sich herumschleppt. Was die wohl mit dem Ding vorhatte? Wollte sie dir das zum Geburtstag schenken?
    Er zuckte mit den Achseln, grinste, schien halbwegs versöhnt. «Ich sag dir was, Püppi, heute Nacht wird nicht gearbeitet. Und ich sag dir noch was: Ich fahre jetzt selbst in die Stadt und besorg uns was Feines zu essen und zum Entspannen. Was hältst du von einer guten Flasche Champagner und einem tollen Schaumbad? Kennst du das Badezimmer da oben?»
    Sie konnte ihn nicht warnen. Wenn er tatsächlich in die Stadt fuhr, war sie mit dem Dicken allein. Und mit den Retlings. Mit sich herumtragen konnte der Fettwanst die Waffe nicht, das hätte Heiko doch sofort gesehen. Er musste sie versteckt haben, und zwar so, dass Heiko sie nicht zufällig entdeckte. Wenn sie geschickt vorging, wenn sie schnell war …
    Wenn sie es schaffte, noch einmal ins Schlafzimmer zu gelangen … Dann waren sie schon zu zweit. Von Albert Retling konnte sie keine großartige Unterstützung erwarten. Aber zwei zu allem entschlossene Frauen gegen einen fettleibigen Mann …
    Angst machte stark, Todesangst verlieh Bärenkräfte. Ed hatte einmal etwas in dieser Art gesagt. Dass Ed nur eine Illusion war, spielte in diesem Augenblick keine Rolle. Vieles von dem, was Ed gesagt hatte, entsprach trotzdem den Tatsachen.
    Als sie den Kopf schüttelte, sagte Heiko: «Aber ich. In die Wanne kannst du drei Mann reinlegen. Da haben wir beide genug Platz. Champagner und ein tolles Schaumbad. Hast du sonst noch einen Wunsch? Was Besonderes zum Essen vielleicht? Eier natürlich, die bringe ich mit. Wie wär’s mit ein paar Fischeiern dazu? Kaviar auf Schwarzbrot ist eine Delikatesse. Vielleicht noch ein paar Austern. Die sollen gut sein für die Potenz. Nicht dass ich’s brauchen würde, aber schaden kann’s auch
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