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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall
Autoren: Dorothy L. Sayers
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weiterhin mürrisch und halsstarrig gewesen sei. Seine Lordschaft kam sehr betroffen zurück. Es ist unter solchen Umständen seine Gewohnheit, den Verurteilten um Verzeihung zu bitten. Sein Gebaren läßt nicht darauf schließen, daß er sie erhalten hat.«
    »Sind Sie sofort zurückgekommen?«
    »Nein, Mylady. Nachdem wir das Gefängnis verlassen hatten, ist Seine Lordschaft in westlicher Richtung gefahren, sehr schnell, etwa fünfzig Meilen weit. Das ist nicht ungewöhnlich; ich habe schon häufig erlebt, daß er die ganze Nacht fuhr. Dann hat er plötzlich an einer Straßenkreuzung angehalten und ein paar Minuten gewartet, als ringe er um eine Entscheidung, hat dann gewendet und ist geradewegs hierher zurückgekommen, wobei er noch schneller fuhr. Als wir hier ankamen, zitterte er sehr heftig, aber er lehnte es strikt ab, etwas zu essen oder zu trinken. Da er sagte, er könne nicht schlafen, habe ich im Wohnzimmer für ein gutes Feuer gesorgt. Als ich ihn verließ, saß er auf dem Sofa. Ich bin über die Hintertreppe heraufgekommen, Mylady, weil mir schien, er möchte nicht das Gefühl haben, daß Sie sich Sorgen um ihn machen.«
    »Ganz recht, Bunter – darüber bin ich froh. Wo kann man Sie erreichen?«
    »Ich werde in der Küche bleiben, Mylady, in Rufweite. Seine Lordschaft wird mich wahrscheinlich nicht brauchen, aber sollte das doch der Fall sein, so würde er mich in der Nähe finden, weil ich mir gerade zufällig einen Abendimbiß mache.«
    »Eine ausgezeichnete Idee. Ich nehme an, Seine Lordschaft möchte lieber allein bleiben, aber sollte er nach mir fragen – um Himmels willen aber nur dann –, sagen Sie ihm bitte –«
    »Ja, Mylady?«
    »Sagen Sie ihm dann, in meinem Zimmer sei noch Licht, und Sie hätten den Eindruck, daß ich mir Gedanken um Crutchley mache.«
    »Sehr wohl, Mylady. Wünschen Eure Ladyschaft, daß ich Ihnen eine Tasse Tee bringe?«
    »Oh, danke, Bunter. Ja, sehr gern.«
    Als der Tee kam, trank sie ihn durstig, dann saß sie da und lauschte. Alles war still, nur die Kirchenuhr schlug die Viertelstunden; doch als sie einmal ins Nebenzimmer ging, hörte sie ganz von fern ruhelose Schritte von unten.
    Sie ging zurück und wartete. Sie konnte nur eines denken, und das wieder und wieder: Ich darf nicht zu ihm gehen; er muß zu mir kommen. Wenn er mich jetzt nicht will, habe ich versagt, und dieses Versagen wird uns durch unser ganzes Leben begleiten. Aber die Entscheidung muß von ihm kommen, nicht von mir. Ich kann sie nur akzeptieren. Ich muß Geduld haben. Was immer geschieht, ich darf nicht zu ihm gehen.
    Nach der Kirchenuhr war es vier, als sie den Ton hörte, auf den sie gewartet hatte: Die Tür am Fuß der Treppe knarrte. Ein paar Sekunden lang geschah noch nichts, und sie dachte schon, er habe es sich wieder anders überlegt. Sie hielt den Atem an, bis sie die Schritte langsam und zögernd heraufkommen und ins Nebenzimmer gehen hörte. Sie fürchtete, dort könnten sie enden, doch diesmal kam er geradewegs weiter und stieß die Tür auf, die sie nur angelehnt gelassen hatte.
    »Harriet …«
    »Komm herein, Lieber.«
    Er kam und blieb neben ihr stehen, stumm und zitternd. Sie streckte ihm die Hand entgegen, und er griff rasch danach und legte seine andere Hand unsicher tastend auf ihre Schulter.
    »Du frierst ja, Peter. Komm näher ans Feuer.«
    »Das ist nicht die Kälte«, sagte er, halb zornig, »es sind meine elenden Nerven. Ich kann nichts dafür. Ich glaube, ich war seit dem Krieg nie mehr richtig in Ordnung. Wie ich es hasse, mich so zu benehmen! Ich habe versucht, allein damit fertig zu werden.«
    »Aber warum solltest du das?«
    »Es ist diese verdammte Warterei, bis sie endlich damit fertig …«
    »Ich weiß. Ich konnte ja auch nicht schlafen.«
    Er stand da und hielt mechanisch die Hände ans Feuer, bis er wenigstens das Klappern seiner Zähne unter Kontrolle hatte.
    »Es ist auch für dich entsetzlich. Entschuldige. Das hatte ich ganz vergessen. Es klingt idiotisch. Aber ich war doch immer allein.«
    »Natürlich. Ich bin doch auch so. Am liebsten verkrieche ich mich in eine Ecke.«
    »Ja«, sagte er, und ein Hauch seiner selbst schimmerte flüchtig durch. »Und du bist meine Ecke, und ich bin gekommen, um mich zu verkriechen.«
    »Ja, mein Liebster.«
    (Und die Trompeten erschollen für sie auf der andern Seite.)
     
    »Es ist nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Am schlimmsten ist es, wenn sie nicht gestanden haben und man sich die ganze
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