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Hitlers Berlin

Hitlers Berlin

Titel: Hitlers Berlin
Autoren: Sven Felix Kellerhoff
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der Isar – auch für den eigenen Unterhalt Geld. Seine Tage verbrachte er meist diskutierend in verschiedenen Münchner Kaffeehäusern. 12
    Deshalb wandte Hitler immer mehr Zeit für das Antichambrieren bei möglichen Geldgebern auf. Den größten Erfolg erzielte er offenbar bei Helene Bechstein, die ihm unter anderem Teile ihres Familienschmucks und wertvolle Gemälde schenkte. Hitler versetzte die großzügigen Gaben oder ließ sie beleihen. Doch obwohl die gewiss nicht armen Bechsteins durch diese Zuwendungen beinahe in finanzielle Bedrängnis gerieten, reichten auch ihre informellen »Parteispenden« nicht. Ein weiterer wichtiger Geldgeber war der Berliner Chemiker Emil Gansser, der unter anderem leitender Mitarbeiter bei Siemens gewesen war; ihm telegrafierte Eckart, inzwischen Chefredakteur des Völkischen Beobachters: »Ohne schleunigste Zuwendung wesentlicher Art Blatt übermorgen erledigt!« Gansser zahlte immer wieder aus seinem privaten Vermögen; im Inflationsjahr 1923 beschaffte er sogar über 20000 Schweizer Franken. Noch wichtiger aber war, dass er seine »völkisch-national« denkenden Bekannten auf die NSDAP aufmerksam machte. Um diese Geldgeber zu »pflegen« und zusätzliche Gönner zu finden, kam Hitler

    1921 mehrfach in die Reichshauptstadt, und zwar meist in Begleitung von Dietrich Eckart. Anscheinend mit Erfolg: »Unterstützung mit Geldern habe ich in Berlin und Württemberg, nicht aber in München gefunden, wo das kleine Bürgertum zu Hause ist«, monologisierte er 1941. Doch entgegen dieser Behauptung nahm Hitler auch die Spenden seiner Gönner aus der bayerischen Oberschicht gerne an, selbst wenn sie nicht sonderlich hoch waren. 13
    Als der Chefpropagandist der NSDAP im Frühjahr 1921 einigen seiner Parteigenossen zu mächtig zu werden schien, versuchten sie ihn kaltzustellen. Es war kaum ein Zufall, dass sie im Juni die Fusion mit der ebenfalls völkisch-antisemitischen Deutschsozialistischen Partei (DSP) vorantrieben, während Hitler gerade wieder einmal bei potenziellen Spendern in Berlin weilte. Der Zusammenschluss mit der vor allem in Norddeutschland aktiven DSP hätte zur Konsequenz gehabt, den Parteisitz in die deutsche Hauptstadt zu verlegen. Hitler schäumte, weil er übergangen worden war, verließ Anfang Juli demonstrativ eine gemeinsame Konferenz der beiden Parteien, zu der er aus Berlin geeilt war, und schickte eine schriftliche Austrittserklärung an den Vorstand der NSDAP. In diesem als Druckmittel gedachten Schreiben betonte er den »unverrückbaren Grundsatz, daß der Sitz der Bewegung München ist und für immer bleibt«. Noch deutlicher wurde Hitler bei der folgenden außerordentlichen Mitgliederversammlung am 29. Juli, bei der er sich auf ganzer Linie durchsetzte und die alleinige Führung der Nationalsozialisten übernahm: »Unsere Bewegung ging von München aus und bleibt auch in München, nicht wie manche Quertreiber wollen, nach Berlin (niemals).« Tatsächlich behielten Parteizentrale und Mitgliederverwaltung bis 1945 ihren Sitz in der bayerischen Hauptstadt, auch wenn sämtliche Entscheidungen stets in Hitlers Nähe fielen – und damit sehr viel häufiger in Berlin als in München. 14
    Bis zum Frühjahr 1922 beschränkte sich Hitlers politische Tätigkeit in der Reichshauptstadt auf das Betteln um Geld in persönlichen Gesprächen. Seinen ersten Auftritt vor Publikum in Berlin, vor einer ebenso überschaubaren wie elitären Gesellschaft, hatte der neue NSDAPVorsitzende am 29. Mai 1922. Im eleganten Nationalen Klub von 1919, dessen Sitz in der Sommerstraße 6 gegenüber dem Reichstag und neben dem Palais des Parlamentspräsidenten lag, sprach er auf Vermittlung von Emil Gansser »in engerem Kreis« vor höheren Offizieren und Beamten, aber auch einigen Unternehmern. Vorausgegangen war ein »streng geheim« gehaltenes Treffen in den Klubräumen am 8. Dezember 1921, bei dem der bayerische Agitator von den leitenden Herren des Klubs gewissermaßen »begutachtet« worden war. In der Einladung zu Hitlers Rede, einem der regelmäßigen Montagabend-Termine des Nationalen Klubs, schrieb Gansser: »Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Erscheinung [der ›nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterbewegung‹] für Deutschlands Zukunft erlaube ich mir höflich, Ew. Hochwohlgeboren um freundlichen Besuch dieses Vortrages zu bitten; auch wäre es erwünscht, wenn Sie noch weitere deutsche Männer von sozialpolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung zu diesem Vortrag
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