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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition)
Autoren: Ivonne Keller
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»Nicht viel ist«, meint sie.
    Sabina winkt ab. »Sie macht sich auch so verständlich.«
    Die beiden setzen sich an den Tisch, und Olga fragt: »Wann kommt Schwägerin?«
    »In etwa einer Viertelstunde. Ich wollte dir aber vorher noch erzählen, wann wir jetzt genau umziehen, so dass du Vladimir und Oleg Bescheid geben kannst, damit sie uns wie verabredet helfen können.«
    Olga guckt sich verträumt um. »Scheene Wohnung ist. Wierde ich nicht zurückgehen nach Russland, wierde ich mieten. Eigene Haus nie ich kennte mir leisten, so wie du.«
    Sabina lächelt gequält. »Du weißt, woher das Geld stammt. Lieber hätte ich auf Silvies Lebensversicherung verzichtet. Und ich kann immer noch nicht fassen, dass du das Ganze vorausgesagt hast. Nur – wenn ich damals gewusst hätte, um was es sich handelt – meine Güte Olga, ich wäre durchgedreht.«
    Olga nickt beifällig. »Habe ich immer gesagt, ist besser, man sieht nicht alles. Wie mit Schlisseldienst. Hat gereicht zu wissen: Ärger gibt.«
    Sabina lacht. »Als ich Alex das Geld in bar auf den Tisch gelegt hab – nie werde ich sein Gesicht vergessen! Er wollte, dass ich geliefert bin – und dann zahlte ich ihm das Geld. Einfach so. Das war so ein gutes Gefühl – wenn auch der Anlass entsetzlich war.«
    Olga hebt den Zeigefinger. »Johannes hat erklärt, du musst nicht zahlen, weil du und Alex hattet Liebesbeziehung. Ist Gesetz!«
    Sabina hebt die Schultern und antwortet spitzbübisch: »Aber dann hätte deine Prophezeiung nicht gestimmt, und das ging schon mal gar nicht …!«
    Die beiden sehen mich prüfend an. Ich hätte da nämlich mal eine Frage, Leute, eine, die mich viel mehr interessiert, als das, was ihr da faselt: Welche Schwägerin bitte?
    Sie stecken wieder die Köpfe zusammen, sprechen über den Umzugstermin und dass Oleg bloß nicht verschlafen soll. Olga erzählt, dass sie einen Nachmieter für ihre Wohnung gefunden hat und dass Natasha wieder zurück nach Deutschland will, sobald sie die Schule abgeschlossen hat – da klingelt es. Die Schwägerin! Jetzt hält mich nichts mehr auf meinem Stuhl, ich laufe Nils und Ole hinterher, die zur Tür stürmen, um die Schwägerin in Empfang zu nehmen. Auch Sabina hat sich erhoben, ist mit ihrem dicken Bauch hinter dem Tisch hervorgekrochen und kommt mir hinterher. Kurz bevor ich an der Wohnungstür ankomme, mache ich eine Vollbremsung, denn in der Tür steht – Anna! Mir verschlägt es den Atem. Sabina streckt ihr die Hand entgegen und sagt auf ihre herzliche Art: »Wie schön, dass wir uns endlich mal persönlich kennenlernen, Anna.«
    »Finde ich auch«, antwortet Anna, und ich starre sie mit offenem Mund an. Sie ist nicht im Gefängnis. Und tot ist sie auch nicht. Nein, sie ist sogar ausgesprochen lebendig! Und wie schön sie aussieht! Wie ein Mädchen – sie sieht immer noch wie ein Mädchen aus! Wenn man bedenkt, dass sie über vierzig sein muss, dann ist das einfach nur faszinierend. Wir schauen uns an, ich gehe verlegen ein, zwei Schritte auf sie zu, und sie zwinkert. Aber ich kann mich auch täuschen, eigentlich gibt sie gar keine Regung von sich. Zu Sabina sagt sie: »Sie sieht mich an, als würde sie mich kennen.« Dann nimmt sie Nils und Ole in Augenschein und sagt: »Wie groß ihr geworden seid.«
    Sabina lächelt. »Komm, setz dich an den Tisch, ich habe ein paar Nussecken gebacken.«
    Annas Blick friert förmlich ein, als sie die Nussecken erblickt. Sabina lacht bei ihrem Anblick und deutet auf mich: »Das war unser kleiner Unschuldsengel hier. Man darf sie keine Sekunde aus den Augen lassen! Aber keine Angst, ich hab alles fein säuberlich abgeschnitten. «
    »Das hat Silvie früher bei den Nussecken meiner Mutter auch immer gemacht«, sagt Anna und blinzelt. Olga und Sabina machen ein betretenes Gesicht, aber der Moment ist ganz schnell vorbei, als ich wieder zum Tisch zurücklaufe und rufe »Anna!«. Sabinas Mund bleibt offen stehen, und ich nehme stolz wieder auf meinem Stuhl Platz. Anna lächelt und sagt: »Und mir haben sie erzählt, du sprichst kein Wort!«
    So, haben sie das? Ich spitze die Ohren, sitze mucksmäuschenstill auf meinem Platz und höre mir an, wie es Anna in den letzten Jahren ergangen ist. Ich kann nicht genug bekommen von ihrem Anblick, noch nie habe ich sie so entspannt gesehen. Olga schiebt mir ab und zu ein Stückchen Nussecke zu, das ich mir schmecken lasse, und Anna erzählt von ihrem neuen Freund, der Robert heißt, und den sie beim Einkaufen kennengelernt hat.
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