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Hinter verzauberten Fenstern

Hinter verzauberten Fenstern

Titel: Hinter verzauberten Fenstern
Autoren: Cornelia Funke
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kleinen Treppe stand ein mächtiger Sessel. Und darin saß ein spindeldürrer, alter Mann in einem goldenen Anzug. Er hatte eine viel zu große Krone auf dem Kopf, struppiges, weißes Haar und einen sehr breiten Mund.
    Jakobus blieb unten an der Treppe stehen, verbeugte sich tief und zog nochmal seinen Hut. Und wieder machte Julia sorgfältig alles nach.
    »Majestät«, Jakobus lächelte stolz, »unser Kalenderhaus hat nach vielen Jahren endlich wieder Besuch bekommen. Darf ich vorstellen? Julia Schultze – aus der anderen Welt.«
    Ein erstauntes Gemurmel erhob sich, und der König beugte sich überrascht nach vorn. »Nicht möglich!«, sagte er und betrachtete Julia von Kopf bis Fuß. »Das ist allerdings eine Überraschung!«
    Julia starrte auf ihre Füße und wünschte sich irgendwo anders hin.
Der alte Herr erhob sich und stakste die Stufen hinab, bis er direkt vor Julia stand. Er war ziemlich groß. Deshalb beugte er sich zu ihr hinunter, um sie genauer betrachten zu können. Das Gold seines Anzugs flimmerte vor Julias Augen.
»Ich freue mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen«, sagte der König und reichte ihr seine knochige Hand.
»Ich freue mich auch«, murmelte Julia verschämt und erwiderte den königlichen Händedruck.
»Wie findest du denn unsere Kalenderwelt bis jetzt?« Der König blinzelte Julia neugierig aus seinen kurzsichtigen Augen an.
»Aufregend!«, antwortete Julia.
»Das freut mich!« Der König lächelte zufrieden und richtete sich wieder auf. »Wie heißt du nochmal?«
»Julia.«
»Ach ja, Julia. Wirklich sehr erfreut!« Der alte König drehte sich zu Jakobus um. »Mein lieber Jakobus, dieser Gast ändert natürlich alles. Zuerst mal werden wir euer Haus wieder aufpolieren. Ich werde euch Farbe schicken und – hat euer Dach schon Löcher?«
»Ja, leider, Majestät.« Der kleine Erfinder hob bedauernd die Schultern.
»Gut, das werde ich auch reparieren lassen. Wer weiß, vielleicht lasse ich sogar noch eins der alten Häuser wieder öffnen.«
»Majestät, habt Ihr Euch das wirklich gut überlegt?«, fragte plötzlich eine dunkle Stimme, und ein ganz in Silber gekleideter Mann trat hinter dem Thronsessel hervor. Er war sehr groß und dick und hatte kurz geschorenes, graues Haar. Seine kleinen, blauen Augen stachen wie Eisnadeln in Julias Gesicht. Erschrocken griff sie nach Jakobus’ Hand.
Der König drehte sich verdattert zu dem Sprecher um. »Wie meinst du das, Leo?«, fragte er erstaunt.
»Natürlich habe ich mir das gut überlegt. Vielleicht kommen ja nun wieder mehr Gäste zu uns. Das wäre doch nett, oder?«
»Was soll daran nett sein?«, knurrte der unheimliche Mann in Silber. »Wir brauchen diese Besucher nicht. Es sind nur lästige, neugierige Kinder, die eine Menge Umstände machen. Ich dachte, Ihr wolltet die alten Kalenderhäuser abschaffen und stattdessen noch ein paar neue Schokohäuser aufmachen. Habt Ihr das nicht gesagt?«
Jakobus warf dem alten König einen erschrockenen Blick zu.
»Hab ich das gesagt?« Der König kratzte verwirrt eins seiner großen Ohren. »Es kann sein, dass ich das gesagt habe. Aber jetzt hab ich’s mir eben anders überlegt.« Er legte Julia eine Hand auf die Schulter und lächelte ihr freundlich zu. »Ich finde unseren Gast hier äußerst nett, und ich wünsche mir, dass noch mehr wie sie kommen. Vielleicht wird es dann bei uns wieder ein bisschen lustiger. So wie damals, als noch viele Kinder kamen. Ach, was haben wir für lustige Feste gefeiert!«
Julia hörte, wie Jakobus erleichtert aufatmete. Sie fand den alten König plötzlich furchtbar nett. Auch wenn er etwas vergesslich war.
»Jetzt habe ich deinen Namen doch schon wieder vergessen!« Er lächelte verlegen zu ihr hinunter.
»Sie heißt Julia«, sagte Jakobus.
»Ach ja! Wie kann ich nur so einen schönen Namen andauernd wieder vergessen?« Der König schüttelte ärgerlich den Kopf.

    »Liebe Julia, ich hoffe, du kommst mich bald wieder besuchen, und ich wünsche dir einen wundervollen Aufenthalt im Land der Kalenderhäuser.«
»Danke sehr!«, sagte Julia.
Der Mann in Silber starrte sie mit finsterer Miene an. Dann winkte er jemanden zu sich und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der nickte und huschte davon.
Das ist ja ein scheußlicher Kerl, dachte Julia unbehaglich.
»Majestät«, Jakobus verbeugte sich, »wir müssen uns jetzt verabschieden. Julia muss rechtzeitig wieder in ihrer Welt sein.«
»Natürlich, natürlich«, sagte der König, »das verstehe ich sehr gut, lieber – ähm – wie
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