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Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)

Titel: Hinter dem Blau: Ein kleines Mädchen verliert seinen Vater. Eine junge Frau findet zu sich. (German Edition)
Autoren: Alexa von Heyden
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konnte kaum mehr dem Gespräch meiner Freundinnen folgen, mit denen ich an der Theke stand und Tequila trank. Ich dachte nur noch daran, ihn zu küssen.
    Zwei Stunden später fuhr ich auf Magnus’ Fahrradlenker mit ihm nach Hause und schlief mit ihm, ohne zu wissen, was er für ein Sternzeichen ist, wie er mit Nachnamen heißt und ob er irgendwelche Geschlechtskrankheiten hat. Magnus sagte, mein Geruch würde ihn süchtig machen, und küsste meinen Busen und meinen Bauch, bevor er mir die Unterhose auszog. Er fragte mich, ob ich wüsste, wie lustig ich sei. Ich hätte in der Bar einen Spruch nach dem anderen rausgehauen; so ein schlagfertiges Mädchen wie mich hätte er noch nie erlebt. Und er kommt aus Berlin, das will was heißen. Ich bin ja eher vom Dorf.
    »Meine ganze Familie ist so lustig«, antwortete ich. Es ist nicht so, dass wir uns zu Hause gegenseitig Sketche aufführen. Eine kleine Bemerkung am Rande reicht aus und meine ganze Familie bricht in Lachen aus. Mein Kumpel Andi behauptet, dass Humor eine Art der Kompensation sein kann, man müsse nur an den Jüdischen Humor denken. Gerade weil bei uns in der Familie so etwas Schlimmes passiert ist, sind wir so lustig. Auf der anderen Seite ist es eine sichere Methode, damit man nicht auf »das Thema« zu sprechen kommt.
    Dann fragte mich Magnus: »Was machen deine Eltern?«
    Ich erzählte ihm, dass meine Mutter Ärztin ist und mein Vater schon tot.
    »Tut mir leid zu hören«, sagte er.
    Ich schob direkt hinterher: »Das braucht dir nicht leidzutun, der hat sich umgebracht.«
    Nie zuvor hatte ich das so geradeheraus zu jemandem gesagt, schon gar nicht zu einem Mann, dem ich gefallen wollte. Aber zu Magnus hatte ich von Anfang an Vertrauen, es war ganz komisch. Den Rest der Nacht blieben wir wach und hörten Musik. Wir konnten nicht schlafen, denn wir verliebten uns. Erst als die Sonnenstrahlen über die Dächer krochen, überkam uns die Müdigkeit.
    Ich wachte am Nachmittag auf. Magnus war nicht da, als ich die Augen aufschlug. Ich war nackt, er war einkaufen – das stand auf einem Stück kariertem Papier, das neben mir auf dem Kopfkissen lag. Ich überlegte, ob unsere gemeinsame Nacht doch nur eine einmalige Sache gewesen war und ich, ohne Tschüss zu sagen, abhauen sollte, aber ich wollte nicht gehen. Ich stand auf und spionierte in der Wohnung herum, suchte nach einem Ausweis mit Magnus’ Nachnamen, Fotos von einer eventuellen Freundin, schaute mir die Klamotten im Schrank und die Lebensmittel im Kühlschrank an, was für Zeitungen neben seinem Bett lagen und welches Duschgel er benutzte. Ich versuchte mich ein bisschen herzurichten, rubbelte mir mit dem Zeigefinger und Zahnpasta über die Zähne, wusch mir die Wimperntuschereste aus dem Gesicht und suchte nach einem Deo, aber fand keins. Als Magnus die Tür aufschloss, sprang ich unter die weiße Bettwäsche und tat so, als wäre ich gerade erst aufgewacht. Als er einen Himbeerjoghurt für mich aus der Tüte packte, wusste ich, dass es kein One-Night-Stand gewesen war. Mein letzter Freund wollte noch nicht mal, dass meine Zahnbürste in seinem Badezimmer stand. Magnus reichte mir den Joghurt und einen Esslöffel ins Bett und legte sich in Klamotten neben mich.
    »Was machst du eigentlich?«, fragte ich ihn.
    »Jura studieren«, antwortete er.
    »Du siehst gar nicht aus wie ein Jurist.«
    »Wie sehen Juristen denn aus?«
    »Hast du keinen Lodenmantel?«
    »Nein, ich bin doch kein Förster!«
    »Und auch keinen Siegelring?«
    »Nein!«
    »Hast du eine Freundin?«
    »Ich hoffe es.«
    Dann mussten wir beide lachen.
    Die folgenden Tage war ich nur in meiner WG, in der ich mit meinen Freundinnen aus der Bar lebte, um frische Klamotten zu holen, und fuhr dann wieder zu Magnus. Wir gingen im Park spazieren, knutschten hinter den Bäumen und verbrachten den Rest des Tages im Bett. Ich wohnte gewissermaßen seit unserer ersten Nacht bei ihm und habe damit wohl gegen sämtliche Regeln des Datings verstoßen. Im Nachhinein glaube ich, dass unser Kennenlernen wirklich so etwas wie Schicksal war, denn was dann geschah, sollte uns für immer zusammenschweißen.
    Eines Abends ging ich los, um uns Rotes Curry vom Thailänder zu holen. Als ich zurückkam, saß Magnus mit seinen Klamotten unter der Bettdecke, war ganz blass und sagte, er wolle nichts mehr essen. Gerade habe ein Kumpel angerufen und gesagt, es sei was Schlimmes geschehen. Sein Freund Thorsten sei angeblich tot. Man wisse nichts Genaues, aber der Bruder
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