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Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben

Titel: Hin u Weg - Verliebe Dich Ins Leben
Autoren: Christoph Quarch
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auch und verletzlicher, wehrloser; vielleicht auch trauriger.
    Trauriger? – Ja, trauriger! „Ricordati!“ Die Woge der Erinnerung, der ich mich in jener magischen Mondnacht hingab, trug mich weiter. Sie drang in mich, immer tiefer. Bis hinein in die Traurigkeit, in den Schmerz, hin zu dem Abend in Granada, an dem du mir offenbartest, dass du mich verlassen würdest. Der Platz hieß „Paseo de los Tristes“ – Weg der Traurigen. So fühlte ich mich. Ich habe geweint in dieser Nacht. Nie wieder habe ich so geweint. Du warst zwar noch da, aber ich fühlte mich allein, und die Angst vor der Einsamkeit griff nach meinem Herzen. Mein Leben lag in Scherben. Nichts stimmte mehr. Alles geriet aus den Fugen. Ich war mir so sicher gewesen, dass diese Liebe ewig dauern würde.Aber von wegen! Die Welt dehnte sich grau und trist vor mir. Es war aus. Und es tat verdammt weh. Du weißt das.
    Erst fiel es mir nicht leicht, mich auch daran zu erinnern. Doch dann geschah das Merkwürdige. Diese grenzenlose, abgründige Liebe, die mich in der toskanischen Nacht durchpulste, tauchte alles in ein anderes Licht. Wie der Mond seinen goldenen Glanz, so goss die Liebe ein leuchtendes Einverständnis über alles Geschehene. Und zugleich eine geradezu erschütternd klare Einsicht. Denn etwas, das ich mir nie zuvor zu denken erlaubt hatte, schoss mir schlagartig durch den Sinn: Die Tränen, die Verzweiflung, der Kummer – auch das war Liebe. Auch das war intensiv; nicht in der Freude, sondern im Schmerz. Mein Schmerz war echt, er war lebendig und zugleich quälend. Natürlich wollte ich nie mehr so leiden. Also machte ich dicht, verschloss mein Herz, um es zu schützen. Mit Erfolg – zweifelhaftem Erfolg. Ich habe nicht mehr so gelitten. Aber ich habe auch nicht mehr so geliebt. Der Preis war hoch, das Fenster des Herzens öffnete sich nicht mehr – lange nicht mehr. Bis zu jener Nacht, die mir all das Glück und all den Schmerz zurückbrachte – getragen von einer Liebe, die ich mir nicht erklären konnte; die mir vorkam, als habe der Himmel sie mir geschenkt. So wie damals.
    In dieser toskanischen Nacht wurde mir deutlich: In der Liebe sein heißt nicht, schmerzfrei sein. Auch nicht Friede-Freude-Eierkuchen. Es heißt stattdessen: lebendig sein, intensiv sein, ganz sein – in Freud und Leid, in Körper und Geist, in Gemeinschaft und allein. Und liegt nicht unser aller Glück genau darin, dies alles wach und intensiv, lebendig und spürbar sein zu dürfen? Sind wir nicht nur dann Menschen im vollen Sinne des Wortes, wenn unser Leben aus Liebesglück und Liebesleid gemischt ist? Wenn es Licht und Schatten integriert, ausbalanciert, so dass das Leben stimmt? Ich habe erfahren, dass es im Leben nicht darum gehen kann, dem Liebesleid auszuweichen – sondern allein darum, ganz in der Liebe zu sein; immer und überall, nicht allein im Gegenüber zu einem einzigen Menschen, sondern im Miteinander mit Allem – sogar in der Trennung, sogar im Tod.
    Davon möchte ich dir erzählen. Wie sonst könnte ich dir meinen Dank dafür bekunden? Denn diese Einsicht verdanke ich dir. So wie ich dir mein damaliges Glück verdanke. Und meinen Schmerz. All diese Intensität, die dir nun verwehrt ist. Ich muss davon schreiben, damit du wenigstens so an ihr teilhast. Gute Nacht!

Ein Auge voll Licht
Die Liebe packt uns alle beim Genick
und schleppt uns Zappelnde zu Gott
.
Rumi
     
    Weißt du noch, wie wir einmal zusammen Hermann Hesse gelesen haben? Seinen Vortrag über das Glück? Wir waren beide begeistert von seinen Worten und ahnten, dass sie etwas mit uns zu tun haben könnten. Aber wirklich verstanden haben wir sie damals, glaube ich, noch nicht. Doch habe ich sie nie vergessen. Jene Augustnacht in der Toskana rief sie mir wieder ins Gedächtnis. So habe ich den Vortrag herausgesucht und noch einmal gelesen; und mich darin wiedergefunden. Ja, heute will mir scheinen, ich kenne, worüber er schreibt: das tiefste, wahrste, menschlichste Glück. Den Zustand intensiver Lebendigkeit – einer Seelenschwingung, in der ich mit mir und der Welt im Einklang bin. Noch einmal lese ich:
    „Unter Glück verstehe ich etwas ganz Objektives, nämlich die Ganzheit selbst, das zeitlose Sein, die ewige Musik der Welt, das, was andre etwa die Harmonie der Sphären oder das Lächeln Gottes genannt haben. Dieser Inbegriff, diese unendliche Musik, diese voll tönende und golden glänzende Ewigkeit ist reine und vollkommene Gegenwart, sie kennt keine Zeit, keine
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