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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition)
Autoren: Maurizio Maggiani
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die Hälfte des Betrags bezahlte, aber sie erging sich darin, die Sache öffentlich zu machen und sich zur ersten lebenden Toten des Ponte zu erklären. Eine Zeit lang lief sie herum und erzählte, wie viel besser es einem als Kino-Zombie ging denn als Lebendem.
    Aber das ist Schnee von gestern, als sie sich noch nicht so müde fühlte; jetzt sieht sie sich den ganzen Tag Fußballspiele an, vielleicht auch die ganze Nacht; Fußball aus der ganzen bekannten Welt. Und sie fing an, alles auswendig zu lernen, mit dem Eifer eines kleinen Jungen mit Sammelalbum; Mannschaften, Spieler und Ergebnisse. Und sie knallt einem asiatische und afrikanische, norwegische und walisische Namen hin, als wäre sie eine Besessene, die von einer Sprache heimgesucht wird, die nicht einmal der Mister der Mannschaft von Gallicano verstehen kann, der gekommen ist, um den Fußball in Coverciano zu studieren. Sie hat sich auf diesen Fußballwahnsinn gestürzt, als wäre das ihre neue Akkordarbeit; als hätte sie entdeckt, dass ihre Müdigkeit daher käme, dass sie nichts mehr hatte, wofür sie sich abrackern konnte, und da niemand da ist, der ihr anbietet, ihre täglichen Zentner Kartoffeln und Fische zu braten oder sich die Kastanienkörbe auf den Rücken zu laden, um sie zum
metato
zu bringen, hat sie sich etwas Neues ausgedacht. Etwas, das ihr unsterbliches Alter erschöpft. Und ich denke, sie spricht zu den Fußballspielern der Elfenbeinküste, wie sie einst zu den Kastanienbäumen in den Wäldern gesprochen hat; sie erzählt ihnen ihre Märchen, um Gesellschaft zu haben und nicht von Furcht ergriffen zu werden. Denn an diesem Punkt glaube ich, dass der Santarellina die Vorstellung, dass sie nie sterben könnte, einen kleinen Schrecken einjagt.
    Und doch, auch im Trichter ihres Fernsehers versunken, hörte sie sie kommen. Sie sah den Reflex des Coupés auf dem Bildschirm aufblitzen, das Krachen einer Gangschaltung drang aus dem Hintergrund in den Ton aus dem Lautsprecher. Aber sie hat die beiden so gern; in ihrer neuen Müdigkeit hat sie die Lebenden weiterhin so gern, innerhalb und außerhalb der Fußballplätze, die sie schon alle auswendig kennt. Eine übernatürliche Seherin, wie es typisch für diejenigen ist, die sich nicht an den eigenen Grabstein anpassen können, die von jedem alles sehen und spüren und wissen, wann er abfährt und wann er ankommt. Sie hat mich angerufen, wie ich sagte, um mir das triumphale Passieren des Ponte anzukündigen, und ich musste nur aus dem Haus gehen, mich einen Moment an die heiße Luft gewöhnen, die der Stille das tiefe Timbre eines in den Balken versteckten Wespennests verleiht, und dann habe auch ich sie gehört. Und zwischen einem krachenden Gang und dem anderen spürte ich sogar die leichte Luftverdrängung durch jene, die herauskamen, um sie vorbeifahren zu sehen. Ich erwartete sie unter dem Nussbaum, verbrachte die Zeit, indem ich mit den noch etwas sauren Früchten herumspielte, machte mir meine Finger schwarz am Gift der Schale, lutschte es weg und spuckte es dann aus. Törichterweise in Sorge, Nita beim Anfassen zu vergiften. Wenn ich sie anfassen würde. Und während ich an meinen Fingern lutschte, konnte ich mir keine Stelle vorstellen, an dem ich sie anfassen konnte, ohne ihr weh zu tun, ohne sie zu vergiften. Als hätte ich sie noch nie vorher angefasst, als hätten wir nicht schon alles Gift ausgetauscht, das Menschen und Pflanzen uns in die Hände gelegt haben.
    Sie kamen keuchend, klebrig, reserviert; sie sahen allerdings aus wie ein Brautpaar am Ende einer anstrengenden Hochzeitsreise. Bresci immer noch in seinem Flanellanzug versunken, den Koffer zwischen den Knien und den Blick noch immer auf andere Landschaften gerichtet. Nita keuchte leicht und hatte Mühe, sich aus ihrem Sitz zu befreien: Ihr Bauch war so rund und tief, ihr Ciao so weich und ergriffen, dass ich dachte, sie läge schon in den Wehen. Ich berührte als Erstes ihre Augen, um ihr den Staub der Reise von den Lidern zu wischen, dann berührte ich ihre Lippen, um zu sehen, ob sie sich öffneten, ob ein paar Worte zwischen dem Weiß der Zähne wären, die man von dort entfernen müsste; und dann, fast ohne es zu wollen, streifte ich ihre Brüste, und unter dem T-Shirt waren sie groß und hart und still, und unter meinen Fingern war das T-Shirt feucht und fettig.
    Alles schien in Ordnung zu sein, so nahm ich sie an der Hand und brachte sie ins Haus zum Erholen. Der Omo Nudo entledigte sich inzwischen seines grauen Anzugs
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