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Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie

Titel: Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Autoren: Sonia Marmen
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sah Isabelle an.
    »Nachdem ich beschlossen hatte, nicht nach Glencoe zurückzukehren, bin ich mit meinem Hund allein über die Heide geirrt. Zum ersten Mal habe ich mit fünfzehn getötet… Er war ein Soldat der Schwarzen Garde, aber trotzdem ein Mensch. Oh Gott! Es war berauschend und grauenvoll zugleich. Ich habe über eine Stunde neben der Leiche gesessen, zitternd, weil ich nicht glauben konnte, was ich getan hatte… Als ich endlich aufstand, habe ich bemerkt, dass meine Hosen feucht waren. Ich hatte mich nass gemacht! Nachdem ich den Toten ausgeraubt hatte, bin ich in die Berge geflohen. Am nächsten Tag habe ich mir die blutverkrusteten Hände gewaschen und bin ins nächste Dorf gegangen, um seine Stiefel und Westenknöpfe gegen eine Schale Eintopf, einen Kanten Brot und ein Pint Bier einzutauschen. Ich hatte mich seit zwei Monaten nicht mehr richtig satt gegessen.«
    Stöhnend verzog Alexander das Gesicht. Isabelle sah schweigend zu Boden.
    »Kannst du dir das vorstellen, Isabelle? Ich habe für ein Stück Brot einen Menschen getötet! Indem ich diesen Soldaten tötete, habe ich möglicherweise eine Frau zur Witwe und ihre Kinder zu Halbwaisen gemacht, denen wiederum nichts anderes übrig blieb, als Verbrechen zu begehen, um etwas zu essen zu haben. Das ist das unbarmherzige Rad des Lebens, das uns in seinen ewigen Kreislauf zieht. Ganz gleich, was man davon hält, man muss sich damit abfinden, um zu überleben. Jetzt … verstehst du vielleicht, warum der Frieden für mich nichts als ein Traum ist.«
    »Vergib mir … meine Unwissenheit.«
    Alexander sah, dass er Isabelle, die im Sand von einem Fuß auf den anderen trat, in Verlegenheit gestürzt hatte. Er wandte sich ihr zu und legte die Hand unter ihr Kinn. Ein Seufzer entwich ihrem halb geöffneten roten Mund. Sie spürte, dass er sie anschaute, hielt ihren Blick aber auf den Hornknopf gerichtet, der seine braune Leinenweste schmückte.
    Wie dumm sie doch war! Was wusste sie schon von den einfachen Leuten? Diese Menschen, in deren Bauch der Hunger wütete oder die sich in Todesangst in die Hose machten, wagten sie es überhaupt zu träumen, zu hoffen? Die Wahrheit war, dass sie wenig über sie wusste … zu wenig. Sicherlich, auch sie hatte ihren Teil an Schmerz und Unglück getragen. Aber dennoch lagen Welten zwischen dem, was sie erlitten, und ihrem Leben!
    »Isabelle«, bat Alexander zärtlich. »Look at me . Du bist nicht unwissend, sondern hast Glück gehabt. Und darüber bin ich froh. Ich wünsche mir, dass es unseren Kindern genauso ergeht und sie niemals ihr Blut vergießen müssen, damit andere darauf ein Imperium aufbauen können.«
    Er bewegte ihr Kinn, das er umfasst hielt, ein wenig.
    »Isabelle … In der Welt, in der wir leben, werden große Reiche unglücklicherweise auf Gräbern aufgebaut. Jeder Kanonenschuss, jeder Stoß mit einem Bajonett reißt eine Lücke in eine Familie oder löscht sie gänzlich aus. Ich habe das erlebt, und als ich hergekommen bin, sogar daran teilgenommen. Um die Schuld von mir abzuwälzen, habe ich mir gesagt, dass ein Soldat eben blind den Befehlen seiner Vorgesetzten folgen muss. So konnte ich ihnen die Verantwortung zuschieben. Aber das ist eine dumme, feige Einstellung… Im Grunde bin ich nicht besser als Cumberlands Männer, die die Highlands verheert haben. Ich bin nicht mehr wert als diese Aasgeier, diese verkommenen Händler, die Profit aus dem Krieg ziehen und wie mit einem Zauberstab alles, was sie auf den Schlachtfeldern an sich raffen, in schöne Zahlen verwandeln, die sie in ihre Hauptbücher schreiben. Und ich bin auch nicht besser als diese Kirchenmänner, die aus Angst, ihre irdische Macht über die Seelen der Menschen zu verlieren, keine Skrupel haben, diejenigen zu segnen, die die Besiegten mit Füßen treten. Der Mensch ist unvollkommen und bleibt ein Sklave seiner Schwächen, ob er nun Franzose oder Engländer ist, Deutscher oder Spanier, oder ob er Gott oder dem Teufel dient. Und ich fürchte, das wird immer so bleiben. Ich schäme mich für das, was ich getan habe, und meine Taten werden mir bis zum Tag des Jüngsten Gerichts auf der Seele liegen … denn ich habe mich nur von meinen Schwächen leiten lassen.«
    Er verstummte. Isabelle betrachtete die warmen Farben des Himmels, die jetzt über der Landschaft lagen.
    »Ich glaube«, fuhr er leise fort, »dass von allen Kämpfen der schwierigste derjenige ist, den wir uns täglich mit unserem Gewissen liefern, wenn wir etwas zu
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