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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Zagha
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die ein alternatives, prismatisches Gefühl von Raum und Zeit erzeugte. (Jules war vollständig verstummt. Kein Wunder, das war ja auch der intelligente Teil, der, der Professeur Sureau überzeugt hatte.) Quinces Reißer enthielten allesamt Spuren atemberaubenden literarischen Experimentierens. Sie deuteten lockend darauf hin, wie The Splodge beschaffen sein könnte.
    »Ohne Zweifel etwas, worauf Virginia Woolf oder James Joyce stolz gewesen wären«, schloss Isabelle mit vor Erregung rosigen Wangen. Länger Englisch zu sprechen fühlte sich immer noch so an, als singe man ein schwieriges Lied.
    »Meine Fresse«, sagte Jules knapp und sah starr auf die Straße.
    Eine ganze Weile fuhren sie schweigend weiter.
    Später, als sie Seite an Seite den Pier hinuntergingen, dachte Isabelle bei sich, dass sie bestimmt einen höchst ungewöhnlichen Anblick boten. In weißer Bluse, heller Leinenhose und pastellfarbenen Tennisschuhen bemühte sie sich, mit Jules Schritt zu halten, die gemächlich in ihren Stiefeln mit den klotzigen Absätzen dahinstapfte und den Oberkörper dabei vollkommen ruhig hielt. Ihr bodenlanger schwarzer Ledermantel wallte in der Brise. Dieses nicht unbedingt sommerliche Kleidungsstück hatte sie aus dem Kofferraum gezerrt, als sie das Auto geparkt hatten, und es kommentarlos angezogen.
Es war, als ginge man mit Frankensteins Kreatur spazieren, dachte Isabelle, und das Ganze war erst recht unvereinbar mit den sorglosen und reichlich kitschigen Popmelodien, die aus einer unsichtbaren Lautsprecheranlage dudelten. Sie und Jules kauften sich Eis mit einem unerwarteten Schokoladenstiel darin und ließen sich neben zwei kichernden alten Damen auf einer Bank nieder. Isabelle atmete den Geruch des Meeres ein.
    »Fehlt dir die Bibliothek nicht?«
    Isabelle sah Jules an und lächelte. »Nein. Es ist schön, hier zu sein.«
    »Ja, am Meer fühlt man sich irgendwie frei.«
    »In der Bibliothek fühle ich mich auch frei.«
    »Ach ja?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    »Versuch’s mal.«
    »Wenn ich im Lesesaal sitze, dann komme ich mir vor... wie ein Passagier in einem sehr großen Raumschiff, das durch die Galaxien reist. Und da ist dieser schwarze Turm voller kostbarer alter Bücher, alle hinter Glas. Das ist so schön. Beim Mittagessen sitze ich am Fuß dieses Turms. Es ist, als wäre ich Teil einer großen Mission – sämtliche Bücher zusammenzutragen, die Summe aller Kultur, und sie zu einem anderen Planeten zu bringen.« Wieder lief Isabelle rosarot an. »Du findest das bestimmt dumm.«
    »Ehrlich gesagt finde ich es ziemlich cool. Verstaubte alte Wälzer voller geheimem Wissen. Macht bestimmt Spaß.«
    Sie hatten ihr Eis aufgegessen. Die beiden Damen, die allem Anschein nach sehr alte Freundinnen waren, unterhielten sich über einen Tanzabend, bei dem sie beide während des Krieges gewesen waren. Damals hatte die eine einen Jungen namens Ernie kennengelernt, und der war »... einfach hinreißend gewesen«, seufzte sie. Ihre Freundin stupste sie mit ihrer Handtasche in die Rippen.
Die beiden bogen sich vor Lachen und verfielen dann in zufriedenes Schweigen.
    »Übrigens«, setzte Isabelle an, »weißt du, ob es hier Second-Hand-Buchhandlungen gibt?«
    »Klar, massenweise. Hey, sollen wir losziehen und nach The Clot suchen?«
    » T he Splodge .«
    »Meine ich ja.«
    »Nun ja, nein«, antwortete Isabelle ruhig. »Das Buch ist nie veröffentlicht worden, erinnerst du dich? Aber vielleicht gibt es ja andere interessante Sachen.«
    Als sie die Buchläden von North Lanes durchstöberten, stellte Isabelle überrascht und durchaus gerührt fest, dass Jules auf ihre eigene teilnahmslose Art wirklich darauf erpicht war zu helfen. Sie schaffte es sogar, triumphierend ein zerlesenes Exemplar von D er abtrünnige Smaragd von Meredith Quince aufzutreiben.
    »Vielen Dank«, sagte Isabelle.
    »Ist das eins, das du noch nicht hast? Ein ganz seltenes?«
    »Ich habe es schon.«
    »Oh.« Jules machte Anstalten, das Buch wieder ins Regal zurückzustellen.
    Isabelle hatte eine plötzliche Eingebung. »Nein, ich kaufe es trotzdem.«
    An der Kasse reichte Isabelle Jules das Buch, das in einer braunen Papiertüte steckte. »Für dich.«
    »Aber du musst mir doch nichts schenken. Ich brauche kein Geschenk.«
    Isabelle lachte ein bisschen. Den Briten war anscheinend alles peinlich.
    »Bitte nimm es. Es ist...« Was hatte Jules noch mal gesagt? »Es ist gruselig. Ich hoffe, es gefällt dir.«

    Auf dem Rückweg nach London war die

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