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High Heels und Gummistiefel

Titel: High Heels und Gummistiefel
Autoren: M Zagha
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ordentlichen kleinen Stapel zusammen.
    »Alles bereit zum Abmarsch, Darling?«, bemerkte Chrissie. »Gehen wir mal wieder in die Bibliothek?«
    Isabelle nickte. Sie war jetzt seit über einem Monat in London, und es war ihr gelungen, einen guten Rhythmus zu finden. Jeden Morgen schloss sie sich einer kleinen Schar Enthusiasten an, die darauf warteten, dass die British Library öffnete, dann ging sie zu ihrem Lieblingsplatz, dicht bei den Katalogen und mit viel Luft über dem Kopf. Bei ihrer Ankunft hakte Isabelle die anderen Stammgäste auf einer imaginären Liste ab. Der Wolfsmann, so genannt wegen seiner Dickens-Koteletten und seinen extrem haarigen Händen. Die Extrem Dürre Frau mit der Riesenfrisur und den Perlenketten, die ihr Haar anscheinend jeden Tag höher aufsteckte und täglich mehr Ketten um den Hals trug und kleine Mantras vor sich hinmurmelte – »ja, ja, alles klar, alles klar« – wie Zeilen aus einem Beatles-Song. Normalerweise saß Isabelle »Miss Marple« gegenüber, einer Dame von ungemein strengem Äußeren im steifen Tweedkostüm mit Cameo-Brosche. Die mysteriöse Meredith Quince hatte wahrscheinlich so ähnlich ausgesehen, dachte Isabelle jedes Mal staunend, wenn sie sie sah.
    »Draußen ist es so schön«, ließ sich Jules tonlos vom Spülbecken her vernehmen, wo sie gerade den Abwasch machte.
    Isabelle warf einen Blick auf die Uhr und stellte mit gelindem Verdruss fest, dass sie bereits ein wenig spät dran war. »Ich sollte mich lieber auf den Weg machen«, sagte sie.
    »Zuckerschneckchen«, sagte Chrissie und betrachtete sie ernst
durch seine grüne Gesichtsmaske hindurch. »Ist dir entgangen, dass heute Samstag ist?«
    »Ja, aber das ist schon in Ordnung. Die Bibliothek hat den ganzen Vormittag auf.«
    »Ich verstehe«, antwortete Chrissie streng. Er stand auf. »Ich für meinen Teil gehe wieder ins Bett. Irgendjemand in diesem Haus muss schließlich die italienische Vogue richtig durchsehen. Bis später, ihr Süßen.« Isabelle hörte ihn die Treppe hinaufspringen, dann schaute sie auf und stellte überrascht fest, dass Jules neben ihr stand.
    Einen Augenblick lang starrte Jules auf ihre Füße, dann sagte sie sehr schnell, ohne Isabelle anzusehen: »Ich finde, es wäre vielleicht schön, ans Meer zu fahren. Nach Brighton oder so. Willst du mitkommen?«
    Isabelle war völlig verblüfft. Sie hatte nicht gewusst, dass Jules vorhatte, übers Wochenende wegzufahren. »Ach, du hast dir einen Platz im Zug reserviert? Du hast ein Hotel gebucht?«
    Jules sah sie seltsam an. »Äh, nein... ich wollte mich einfach ins Auto setzen und losfahren. Nur für heute.«
    Ins Auto setzen und losfahren? Einfach so? Aber Brighton war doch so weit weg! Es war schlicht nicht machbar. Isabelle geriet in Panik.
    »Aber normalerweise arbeite ich samstags. Und morgen...«
    »Also, ja, morgen ist auch noch ein Tag. Bis dahin sind wir vielleicht tot, wer weiß?«
    Sie sahen einander an. Jules schob die Brille auf der Nase hoch. Ihr ganz und gar ungeschminktes Gesicht sah weniger furchterregend aus als sonst. Isabelle dachte nach. Es war ein wunderschöner Tag, klar und sonnig, und sie liebte das Meer. Vielleicht konnte sie ja nur dieses eine Mal nicht in die Bibliothek gehen. Außerdem gab es in Küstenstädten oft gute Second-Hand-Buchläden. So dass der
Ausflug in Wirklichkeit eine Möglichkeit sein konnte, ihre Recherche weiterzuverfolgen, und nicht etwa ein freier Tag.
    »Die Sache ist die«, sagte Jules, »wir sollten so bald wie möglich losfahren, wegen dem Verkehr. Wir treffen uns in zwanzig Minuten draußen, in Ordnung?«
    »Heu, ja, in Ordnung.«
    Isabelle hatte Jules’ Auto, einen ziemlich mitgenommenen braunen Mini, bisher nur von außen gesehen. Als sie sich zum ersten Mal auf dem Beifahrersitz niederließ, sah sie, dass die Polster im Leopardenmuster bezogen waren. Es sah verdächtig danach aus, als hätte Jules das selbst gemacht, mit einem Tacker. Jules stieg ein; sie trug ein T-Shirt mit der Aufschrift »Evil likes candy too«. Außerdem hatte sie immer noch die Plastikklemme im Haar, wahrscheinlich, damit sie besser fahren konnte. Energisch ließ sie den Motor an, und sie fuhren schweigend auf die Straße hinaus. Nach einer Weile erkundigte sie sich: »Dieser Franzose, der da immer so abgefahrene Nachrichten auf unserem Anrufbeantworter hinterlässt, ist das deine schlechtere Hälfte?«
    »Clothaire ist mein Freund, ja.«
    »Vermutlich kommt er mit seiner eigenen Sprache besser zurecht.«
    Ein
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