Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hier stinkt's!

Hier stinkt's!

Titel: Hier stinkt's!
Autoren: David Lubar
Vom Netzwerk:
Sprint?«
    »Klar.«
    Er lief schneller. Ich zog mit.
    Als wir den nächsten Häuserblock hinter uns gelassen hatten, steckte ich die Hand in die Tasche und holte vorsichtig den Schwamm aus der Tüte. Ich tat so, als würde ich mich am Hals kratzen, und drückte dabei den Schwamm aus, damit mein T-Shirt nass wurde.
    So stellte ich künstlichen Schweiß her. Wenn mein T-Shirt beim Laufen trocken geblieben wäre, hätte mein Dad vielleicht Verdacht geschöpft. Und selbst wenn er mein mangelndes Schwitzen nicht bemerkt hätte, wäre es meiner Mutter garantiert aufgefallen, falls sie vor uns nach Hause kam. Sie war immer viel zu besorgt um mich.
    Als Toter hatte man es echt nicht leicht mit ihr. Ich verbrachte einen Großteil meiner Zeit damit, so zu tun, als wäre ich lebendig. Wenn sie zu Hause war, achtete ich darauf, regelmäßig aufs Klo zu gehen, obwohl ich nicht musste. Ich schob mein Essen auf dem Teller hin und her, damit es aussah, als hätte ich etwasgegessen. Ich tat alles Mögliche, um zu verhindern, dass meine Eltern dahinterkamen, dass ich tot war.
    »Sollen wir die Abkürzung über die neue Straße nehmen?«, fragte Dad, als wir oben auf dem Hügel ankamen. Bei uns in der Nähe wurden ein paar neue Häuser gebaut, und sie hatten gerade angefangen, die Straße zu planieren. Es waren zwar viele Leute aus der Stadt weggezogen, aber die, die neu hierherkamen, wollten offenbar größere Häuser. Also wurden sie gebaut.
    Ich nickte und folgte Dad durch das Baugebiet. Um uns herum standen überall Rohbauten. Einige hatten schon Wände, andere bestanden nur aus einem nackten Gerüst. Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch.
    Schepper. Kratz. Schepper. Kratz.
    Dad und ich hielten an und sahen uns um. Das Geräusch hörte auf. Ich lief weiter.
    Schepper. Kratz. Schepper. Kratz.
    Diesmal blieb ich nicht stehen, warf aber einen Blick nach unten.
    Oh nein.
    Ich war mit dem linken Fuß auf einen Nagel getreten. Im Grunde war das nicht weiter schlimm, ich fühlte ja keinen Schmerz. Aber leider hatte der Nagel sich durch ein kleines Brett gebohrt, das jetzt an meinem Fuß festgenagelt war. Und die Spitze guckte oben aus meinem Turnschuh raus. Der Nagel hatte meinen ganzen Fuß durchbohrt. Ich joggte weiter und versuchte, das Brett abzuschütteln. Das funktionierte aber nicht. Es drehte sich bloß, wie der Propeller eines billigen Plastikflugzeugs.
    Dad sah sich immer noch ratlos um. Mom sagt immer, Dad sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Irgendwie hat sie recht.Er achtet nicht wirklich darauf, was um ihn herum passiert. Er wäre der Letzte, den ich fragen würde, wo das Saure-Gurken-Glas im Kühlschrank steht. Aber so, wie das Brett sich drehte und klapperte, würde er es jeden Moment bemerken. Ich musste sofort etwas tun. Ich stellte meinen Fuß flach auf den Bürgersteig, trat mit dem rechten Fuß auf das Brett und zog mein linkes Bein ruckartig hoch. Der Nagel löste sich.
    Ich lief weiter.
    Dad sah über die Schulter, drehte sich dann um und lief zurück zu dem Brett. Er nahm es in die Hand und starrte es an. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Jepp.« Ich lachte, um ihm zu beweisen, dass ich keine Schmerzen hatte. Natürlich hatte ich tatsächlich nie welche, außer wenn ich mir mit meinem Spezialkleber abgebrochene Finger wieder ankleben musste. »Junge, das war echt knapp. Fast hätte es meinen Fuß erwischt. Schwein gehabt, was?«
    »Oh ja, das kann man wohl sagen.« Dad warf das Brett in einen Müllcontainer neben uns. »Also, was würdest du am Wochenende gern unternehmen?«
    »Wir könnten Billard spielen.« Das wäre sicher, solange ich nicht auf einen Billardstock fiel und mich damit aufspießte.
    Ich lief neben Dad her und beträufelte mich noch mal heimlich mit dem Schwamm. Auf dem restlichen Weg durch die Neubausiedlung passte ich höllisch auf, dass ich nicht noch mal auf einen Nagel trat.
    Als wir zu Hause ankamen, seufzte Dad glücklich und schlug mir auf die Schulter. »Ist das Leben nicht schön?«, fragte er.
    »Stimmt. Das Leben ist schön.«
    Ich ging nach oben und untersuchte meinen Fuß. Ein paar Zentimeter über dem mittleren Zeh war ein kleines Loch, dassich durch den ganzen Fuß zog, aber es sah gar nicht so schlimm aus. Wenn man schon ein paarmal seine abgebrochenen Finger gesehen hat, ist ein winziges Loch keine große Sache.
    Obwohl ich nicht geschwitzt hatte, duschte ich. Wenn man tot ist, sollte man auf Sauberkeit achten. Vorsichtshalber stopfte ich das Loch von oben und unten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher