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HHhH

HHhH

Titel: HHhH
Autoren: Binet Laurent
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SS-Einsatzgruppen, speziellen Vernichtungskommandos, ausgeführt, die ihre Opfer zu Hunderten oder sogar Tausenden zusammenscharten, häufig auf einem Feld oder im Wald, und sie mit Maschinengewehren niedermetzelten. Das Problem dieser Methode bestand jedoch darin, dass sie die Nerven der Henker auf eine derbe Zerreißprobe stellte und sich negativ auf die Moral der Truppen auswirkte. Das betraf selbst die hartgesottensten unter ihnen, wie die Truppen vom Sicherheitsdienst oder der Gestapo – Himmler höchstpersönlich soll bei einer dieser Massenerschießungen in Ohnmacht gefallen sein. Später ging die SS dazu über, ihre Opfer in Lastwagen zu pferchen und darin zu vergasen, nachdem man den Auspuff umgedreht und die Abgase ins Wageninnere geleitet hatte, doch diese Technik blieb ziemlich behelfsmäßig. Nach der Wannseekonferenz wurde die Auslöschung der Juden, die Heydrich seinem treuen Eichmann anvertraut hatte, wie ein gigantisches logistisches, soziales und ökonomisches Projekt behandelt.
    Kenneth Branaghs Interpretation ist äußerst gelungen: Gekonnt verbindet er ausgesprochene Liebenswürdigkeit mit harscher Autorität und verleiht seiner Figur dadurch einen hochgradig beunruhigenden Anstrich. Zwar habe ich nirgendwo gelesen, dass der wahre Heydrich, ganz gleich, in welcher Situation, jemals so etwas wie Liebenswürdigkeit ausgestrahlt hätte, sei sie nun authentisch oder vorgespielt, dennoch wird in einer sehr kurzen Filmszene die psychologische und historische Dimension der Persönlichkeit Heydrichs treffend dargestellt: Zwei der Konferenzteilnehmer führen etwas abseits ein vertrauliches Gespräch. Der eine vertraut dem anderen an, er habe gehört, dass Heydrich jüdische Wurzeln haben soll. Er möchte wissen, ob sein Gesprächspartner es für möglich halte, dass an diesem Gerücht etwas dran sei. Dieser zischt zurück: «Warum stellen Sie ihm die Frage nicht selbst?» Beim bloßen Gedanken daran wird der andere aschfahl. Tatsächlich hatte Heydrich während seiner Jugend das hartnäckige Gerücht verfolgt, sein Vater sei Jude, und ihm das Leben schwergemacht. Das Gerücht war anscheinend unbegründet, aber selbst, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, wäre es für Heydrich als Chef des Geheimdienstes der NSDAP und der SS zweifellos ein Leichtes gewesen, seinen Stammbaum von jedem Verdacht reinzuwaschen.
    Wie dem auch sei, es ist nicht das erste Mal, dass Heydrichs Figur auf die Leinwand gebracht wurde. Fritz Lang begann 1943, ein knappes Jahr nach dem Attentat, mit den Dreharbeiten zu dem Film Auch Henker sterben , nach einem Drehbuch von Bertolt Brecht. Der Handlungsverlauf dieses Films ist völlig an den Haaren herbeigezogen (Fritz Lang wusste sicherlich nicht, wie sich die Ereignisse tatsächlich zugetragen hatten, und hätte er es gewusst, wäre ihm das Risiko, sie zu enthüllen, sicherlich zu groß gewesen), dabei aber ausgesprochen einfallsreich: Heydrich wird von einem tschechischen Arzt ermordet, der Mitglied der inneren Widerstandsbewegung ist und bei einem jungen Mädchen Unterschlupf findet. Der Vater des Mädchens, ein Akademiker, wird bei einer Razzia der Besatzungskräfte gemeinsam mit anderen lokalen Persönlichkeiten verhaftet. Man droht ihnen mit Repressalien, sollte sich der Mörder nicht stellen. Die Krise wird äußerst dramatisch dargestellt (Brecht verpflichtet eben) und entspannt sich erst, als es der Widerstandsbewegung gelingt, einem Verräter und Kollaborateur den Schwarzen Peter zuzuschieben. Mit dessen Tod enden die Affäre und der Film. In Wahrheit konnten weder die Partisanen noch die tschechische Bevölkerung ihren Kopf so elegant aus der Schlinge ziehen.
    Fritz Lang entschied sich dafür, Heydrich ziemlich unflätig darzustellen, als verweiblichten Luststrolch, einen durch und durch Geistesgestörten, der eine Reitgerte schwingt und damit zugleich seine Grausamkeit und seinen Sittenverfall demonstriert. Es stimmt, dass der echte Heydrich als Sittenstrolch galt und mit einer Fistelstimme gestraft war, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Auftreten stand, doch mit seiner Überheblichkeit, Steifheit und seinem arischen Aussehen hat Heydrich so gar nichts mit der Figur gemein, die durch diesen Film watschelt. Wer nach einer etwas treffenderen Darstellung sucht, wird offen gesagt mehr davon haben, sich noch einmal Charlie Chaplins Film Der große Diktator anzusehen: Darin sieht man den Diktator Hynkel, flankiert von seinen zwei Schergen, einem grobschlächtigen
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