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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die er besser nicht überschritten hätte. Er wusste nicht, was dahinter lag, aber was immer es war – es machte ihm Angst.
    Vor vier Tagen erst war die Insel urplötzlich aus dem Meer aufgetaucht, ohne dass irgendjemand bislang eine plausible Erklärung dafür gefunden hatte. Zwar war zu diesem Zeitpunkt ein leichtes Seebeben registriert worden, das auch an Land noch zu spüren gewesen war, doch selbst wenn man bedachte, dass das Meer hier, eine Meile von der Themsemündung entfernt, noch ziemlich flach war, hätte das Beben allein niemals ausgereicht, ein solches Eiland entstehen zu lassen. Blossom war alles andere als ein Fachmann für Geologie, aber selbst er wusste, dass Inseln nicht einfach so aus dem Meer auftauchten. Irgendetwas höchst Eigentümliches war hier vorgefallen. Und waren schon die Umstände, unter denen die Insel aufgetaucht war, seltsam genug, so war es das nicht allein, das Blossom irritierte. Nicht einmal annähernd. Tief in sich wusste er längst, was es war. Er war nur noch nicht so weit, es zuzugeben:
    Es war die Insel selbst.
    Das Eiland durchmaß etwa zwei Dutzend Yards. Seine Oberfläche bestand aus zerklüftetem Fels von einer Farbe, für die Blossom einfach keine Bezeichnung fand: irgendetwas zwischen Schwarz, Dunkelblau und einem Ton von Indigo, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Es war die Farbe der Nacht. Die Dunkelheit einer sternklaren Polarnacht, die von einer Kälte erzählte, die man regelrecht zu spüren glaubte, wenn man diesen Stein nur lange genug ansah. Die Schwärze des Felsens war so intensiv, als wäre die Insel nicht wirklich materiell; nichts, was war, sondern vielmehr ein gewaltiger Riss, der in der Wirklichkeit klaffte. Und hinter dem Etwas lauerte etwas, das beobachtete. Das wartete.
    Hinaus wollte?
    Dieser Eindruck wurde noch durch die Stille und die völlige Leblosigkeit unterstrichen, die diesem Ort innewohnte. Nichts rührte sich. Nichts bewegte sich. Hier, so nahe bei der Küste, wäre es eigentlich ganz normal gewesen, wenn Möwen und andere Vögel das Eiland sofort in Besitz genommen hätten. Stattdessen jedoch schien das Leben die Insel in weitem Umkreis zu meiden. Selbst das regelmäßige Dröhnen der gegen den Fels brandenden Wellen klang gedämpft, und wenn er genau hinhörte, konnte er so einen weiteren, vielleicht noch unheimlicheren Effekt wahrnehmen: Das monotone Geräusch der Wellen schien nur aus drei Richtungen zu kommen. Vor ihnen, dort, wo die Insel lag, herrschte absolute Stille.
    Vielleicht, dachte Blossom, war das die Erklärung: Diese Insel lag jenseits der unsichtbaren Grenze, der sie sich genähert hatten. Der Gedanke war vollkommen lächerlich, aber er fügte sich so nahtlos an das an, was seit einer Weile hinter Blossoms Stirn vorging, dass ihm das nicht einmal zu Bewusstsein kam.
    »Sir?«
    Die Stimme Cliff Hasseltimes riss Blossom aus seinen Grübeleien; Gedanken überdies, die eines aufgeklärten, modern denkenden Mannes wie Blossom nicht würdig waren – und des Kapitäns eines Kriegsschiffes ihrer Majestät schon gar nicht. Unsichtbare Grenzen? Die Farbe der Nacht? Was für ein Unsinn!
    Verärgert über sich selbst wandte er sich zu seinem Ersten Offizier um, der unbemerkt neben ihn getreten war und ihn abwartend musterte. Erst jetzt wurden ihm die Kälte und Schärfe des Windes richtig bewusst. Er fröstelte, löste die Hände von der Reling und rieb sie aneinander, während er ein paarmal hineinhauchte. Seine Haut prickelte, als hätte er in eine Schale mit gemahlenem Glas gegriffen, und er wurde sich des unangenehmen Gefühles bewusst, dass seine Uniform durchnässt war und in unansehnlichen Falten an seinem Körper klebte. Es war ihm nicht recht, so vor seinem Ersten Offizier zu stehen. Blossom war ein Mensch, der großen Wert auf Disziplin und ein tadelloses Äußeres legte; bei seinen Offizieren, und erst recht bei sich selbst.
    »Eine verdammt seltsame Geschichte«, brummte er. »Wenn es nach mir ginge, würde ich das Ding lieber von hier aus dahin zurück bombardieren, woher es gekommen ist, statt auch nur einen Fuß darauf zu setzen. Möchte nur wissen, was wir da groß untersuchen sollen.«
    Er straffte sich und zog seine Uniformjacke glatt; und mit dieser einfachen Geste schien ein völlig anderer Mensch aus ihm zu werden. Gerade noch ein gebeugter, von Kälte gebeutelter Mann, der von Sorgen und Zweifeln geplagt war, war Blossom eine Sekunde später wieder ganz Offizier.
    Und die Veränderung war nicht nur
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