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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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äußerlich. Von einem Moment zum nächsten war auch sein Denken wieder von jener Logik und Präzision, die ihn zu dem gemacht hatten, was er war: vielleicht nicht einer der erfolgreichsten, aber mit Sicherheit doch einer der verlässlichsten Offiziere der Royal Navy.
    »Aber Befehl ist nun einmal Befehl, nicht wahr? Sind die Männer soweit?«
    »Alles bereit, Sir«, antwortete Hasseltime.
    Wenn er die gleiche Nervosität empfand wie Blossom, so verbarg er es perfekt. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos und Blossom suchte selbst in seinen Augen vergeblich nach einem verräterischen Funken, einer Spur von Unsicherheit oder gar derselben substanzlosen Furcht, die ihn quälte. Blossom war nicht sicher, ob er Hasseltime wirklich mochte. Er war ein guter Mann, aber manchmal schon beinahe zu beherrscht. Die meisten Menschen glaubten, dass es einen guten Soldaten ausmachte, keine Gefühle zu haben, aber das stimmte nicht. Ein guter Offizier hatte Gefühle – er wusste nur besser damit umzugehen als ein schlechter.
    Hasseltime räusperte sich. »Wir warten nur noch auf Sie, Sir.« Er zögerte einen Moment und fügte dann hinzu: »Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten: Es ist durchaus nicht unbedingt nötig, dass Sie uns begleiten. Ich glaube nicht, dass uns auf der Insel irgendwelche Schwierigkeiten erwarten, aber falls doch, wäre es auf jeden Fall besser, wenn Sie sich hier an Bord befänden.«
    Kapitän Blossom lächelte flüchtig. Hasseltime handelte natürlich ganz und gar nach Vorschrift, indem er diesen Vorschlag machte. Was sich wie reine Freundlichkeit anhörte, entsprach der durchaus richtigen Überlegung, niemals alle höheren Offiziere eines Schiffes zugleich einer Gefahr auszusetzen.
    Ein weiterer Grund, aus dem er Hasseltime nicht mochte. Er hatte einfach ein bisschen zu oft Recht. Der junge Mann hatte bereits eine glänzende Karriere hinter sich und mit großer Sicherheit einen noch steileren Aufstieg vor sich. Er stammte aus einer angesehenen und sehr wohlhabenden Familie, hatte eine hervorragende Schule besucht und die Militärakademie mit Auszeichnung absolviert. Blossom war sicher, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Hasseltime selbst das Kommando über ein Schiff bekam; vielleicht sogar das über die THUNDERCHILD.
    »Vielleicht haben Sie Recht«, entgegnete Blossom. »Trotzdem möchte ich mir die Insel selbst ansehen. Die Berichte über diese unterirdischen Stollen haben mich neugierig gemacht.«
    Hasseltime sah ihn eine Sekunde lang durchdringend an, aber er war klug genug, nichts von dem auszusprechen, was ihm sichtlich durch den Kopf ging. Blossom fragte sich, ob man ihm tatsächlich so deutlich ansah, wie unheimlich ihm diese Insel war. Er hoffte, nicht. Gerade Hasseltime gegenüber wäre es ihm sehr unangenehm gewesen, Schwäche zu zeigen.
    Gefolgt von Hasseltime verließ er das Oberdeck. Zwei Beiboote waren bereits zu Wasser gebracht worden, bemannt mit jeweils fünf Matrosen und fünf Marinesoldaten, einer regelrechten kleinen Armee, die angesichts dessen, was vor ihnen lag – nämlich nichts als einer menschenleeren, von allem Leben verlassenen Insel – geradezu lächerlich erschien. Trotzdem hatte Blossom das Gefühl, in den Krieg zu ziehen. Mit jeder Sekunde mehr.
    Blossom und der Erste Offizier nahmen jeder in einem der Boote Platz. Die Matrosen begannen zu rudern, ohne dass es eines besonderen Befehles bedurft hätte. Sie näherten sich der Insel aus westlicher Richtung, obwohl sie dadurch gegen den Wind und die Strömung ankämpfen mussten und die Anstrengung den Soldaten den Schweiß auf die Gesichter trieb. Blossom gehörte normalerweise nicht zu den Offizieren, die ihre Männer grundlos schunden, aber anders wäre die Gefahr zu groß gewesen, dass sie von der Brandung gegen die Felsen geschleudert würden. Das neu entstandene Eiland war zwar nicht besonders groß, aber die Felsen ragten glatt und nahezu senkrecht aus dem Meer, an manchen Stellen mehr als fünf Fuß hoch. In der unruhigen See dort anzulegen, würde zu einem lebensgefährlichen Unterfangen werden. Auf dieser Seite hingegen gab es eine flache Geröllfläche, an der sie anlegen konnten, beinahe wie ein kleiner natürlicher Hafen. Dem Soldaten in Blossom gefiel dieser Anblick nicht annähernd so gut wie dem Seemann. Ihm erschien diese Einladung vielmehr wie eine Falle, das aufgerissene Maul eines Ungeheuers, in das sie mit offenen Augen hineinmarschierten. Er spürte die Gefahr, aber er konnte sie einfach nicht
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