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Hexentochter

Hexentochter

Titel: Hexentochter
Autoren: Nancy Holder , Debbie Viguié
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schlicht.
    Sie betrachtete ihn. »Wessen Ehre?«
    »Ich habe eine Waffenstillstandsflagge getragen«, erinnerte er sie, »als mein Pferd in Euren Hof einritt. Euer Gemahl, Duc Robert, hat mir sicheres Geleit gewährt, damit ich Eure geliebte Tochter nach Hause bringen kann.«
    »Ich verstehe.« Ihr Tonfall klang fast beiläufig. Sie erhob sich von ihrem Thron, stieg die Stufen von der Estrade hinab und ging zu der gewaltigen Ansammlung von Waffen, die ihr hier zur Verfügung stand. »Und als Deveraux seid Ihr davon ausgegangen, dass sein Wort mehr Gewicht habe als meines, obgleich ich die Hohepriesterin unseres Zirkels bin?«
    Der Mann wirkte zum ersten Mal verunsichert. »Er hat sich für meine Sicherheit verbürgt«, entgegnete er tonlos.
    Ohne ein weiteres Wort nahm sie eine Streitaxt von der Wand, wirbelte herum, zielte kurz und schleuderte sie direkt auf seinen Kopf.
    Die breite Klinge hackte sein Gesicht in zwei Teile. Die obere Hälfte seines Kopfes kippte nach hinten, ganz ähnlich wie vorhin der Deckel der Schatulle mit der Asche ihrer Tochter. Der Mann brach als blutiges Häuflein auf ihrem prachtvollen schwarz-silbernen Teppich zusammen.
    »Madame la reine«, keuchte der livrierte Leibeigene, der so hämisch auf die Überreste ihrer Tochter hinabgegrinst hatte.
    Für ihn beschwor sie einen Feuerball und schleuderte ihn gezielt: Er landete im Haar des Mannes. Er kreischte länger, als sie Lust hatte, ihm zuzuhören.
    Also rauschte sie wahrhaft königlich aus der Großen Halle.
    »Nun ist es also an dir«, sagte sie zu dem Mädchen, das vor ihr kniete.
    Drei Tage waren seit Isabeaus Tod vergangen. In eben diesem Turmzimmer hatte Isabeau sie angefleht, Jean de Deveraux, ihren frisch angetrauten Ehemann, zu verschonen. Ihre riesigen dunklen Augen hatten sich mit Tränen gefüllt und die Warnungen ignoriert, die aus den Eingeweiden des Lamms zu lesen waren, das Catherine geopfert hatte - Isabeau hatte um Gnade für einen Mann gefleht, der ihr seinerseits keinerlei Gnade erweisen würde.
    Weil Isabeau noch kein Kind erwartete, planten die Deveraux, sie in ihrem Ehebett zu ermorden und damit die Allianz mit den Cahors zu beenden. Die Oberhäupter beider Familien hatten einen stummen Handel geschlossen: Isabeau würde ihre Häuser vereinen, indem sie einen Sohn gebar, wenn die Deveraux das Geheimnis des Schwarzen Feuers mit den Cahors teilten. Keine der beiden Parteien hatte den ersten Schritt tun wollen, und die Pattsituation hatte Catherine ungeduldig gemacht und Isabeau in Gefahr gebracht. Also hatte Catherine ihr Schloss überfallen und sie zum Handeln gezwungen.
    »Ich kannte das Risiko«, murmelte sie, und ihre Gedanken kehrten in die Gegenwart und zu dem Mädchen vor ihr zurück. »Ich wusste, dass ich meine Tochter höchstwahrscheinlich verlieren würde ... Also ist es nun an dir«, wiederholte sie.
    Das Mädchen hieß Jeannette, was Catherine passend erschien. Wenn Isabeau und dem Deveraux-Prinzen eine Tochter geboren worden wäre, hätten sie sie vielleicht so genannt. Diese Jeannette war eines der unehelichen Kinder von Catherines erstem Gemahl Louis. Er hatte viele Bastarde gezeugt, doch in Jeannettes Adern floss die stärkste Magie der männlichen Linie. Vor langer Zeit hatte eine Hexe starkes Blut in die Linie der Cahors gebracht, und die magische Macht war bei den Töchtern stets ausgeprägter als bei den Söhnen der Cahors - genau, wie bei den Deveraux die Söhne die besonderen Kräfte ihrer Familie von einer Generation zur nächsten vererbten.
    Jeannette hatte Louis' goldblondes Haar und die silbrigen Augen. Sie war zierlich und schlank, ein reizendes Kind von vierzehn Jahren, und während sie sich zitternd vor der großen Königin zu Boden warf, flüsterte sie: »Je vous en prie, madame. Ich bin dieser Ehre nicht würdig.«
    »Du hast Angst, und das zu Recht«, sagte Catherine nachdenklich. »Du bist nicht gut mit den Waffen und Wegen des Mondes gewappnet, und ich habe nur wenig Zeit, dich auf deine Rolle vorzubereiten.« Ich hätte ein Mädchen heranziehen sollen, das sogleich bereit gewesen wäre, dachte sie. Das habe ich übersehen, ein unverzeihlicher Fehler, den ich meinem Hochmut verdanke.
    Ich bin davon ausgegangen, dass ich Isabeau würde schützen können. Welch ein schrecklicher Irrtum.
    Und jetzt ist sie nur noch Staub. Sie ist tot, und Jean ist tot, und unser beider Häuser müssen wieder von vorn beginnen.
    Catherine ging mit rauschenden Röcken zu ihrem privaten Altar hinüber.
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