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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman
Autoren: Olga Krouk
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ie achtete auf jede Regung ihrer Gegnerin, auf die Haltung des Kopfes und die Bewegungen der Arme, auf die Anspannung in den Schultern. Ihre gesamte Mimik signalisierte Überlegenheit.
    Wenn du sie angreifst, macht sie dich platt. Du wirst weder der Ratte noch dir selbst helfen können.
    Manchmal musste man eine Schlacht verlieren, um einen Krieg zu gewinnen. Auch wenn sie noch nicht wusste, worum es in diesem Krieg ging und ob sie überhaupt eine Chance auf Erfolg hatte. Sie gab nach, um nicht aufzugeben. Als sich ihre Blicke trafen, war es Ylva, die die Lider senkte und den Kampf um den höheren Platz in der Rangordnung verlor, noch bevor er angefangen hatte.
    Ihr Gegenüber quittierte ihren Rückzug mit einem verächtlichen Schnauben. »Ich habe dich bereits zweimal eingefangen. Nur weil du jetzt nicht wie ein Tier durch die Katakomben kriechst, bist du mir bei weitem noch nicht gewachsen. Also kusch!« Obwohl die Frau wissen musste, dass es zu keiner Auseinandersetzung mehr kommen würde, lag in ihrer Stimme eine Herausforderung. Eine Herausforderung, der Ylva nur schwer widerstehen
konnte. Sie musste die Hände ballen und ihren Stolz schlucken, um nicht doch etwas Unüberlegtes zu tun.
    Na mach schon , spornte sie sich an. Signalisiere ihr deine Unterwürfigkeit. Überzeuge sie!
    Ylva zog den Kopf ein und schielte zu ihrer Gegnerin. »Lass meine Ratte in Ruhe. Bitte«, flüsterte sie.
    Die Ratte fiepte hilflos. Der Ton durchdrang schmerzhaft ihr Herz, weil sie für den Nager absolut nichts tun konnte und sie beide der Willkür der Fremden ausgeliefert waren.
    »So ist es besser.« Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Frau. »Keine Sorge, ZouZou tut deinem Seelentier schon nichts, sie will nur spielen.«
    Genauso wie du mit mir. Doch sie hütete sich davor, dies laut auszusprechen.
    Auf ein Nicken ihres Frauchens hin ließ die Katze die Ratte los, die sofort aufsprang, sich schüttelte und zu Ylvas Füßen floh. Dummes, kleines Ding. Noch immer suchte es Zuflucht und Sicherheit bei ihr, obwohl sie es kaum vor den Gefahren, die ihr vermutlich großenteils nicht einmal bewusst waren, schützen konnte.
    »Mein Seelentier?« Behutsam hob sie den Nager mit beiden Händen auf und untersuchte das Fell. Es schien unversehrt, und die Sorge um ihren kleinen Freund fiel ein Stück von ihr ab.
    Die Fremde überhörte die Frage. Statt zu antworten, ging sie um Ylva herum, zupfte sie hier und da an den Haaren, als würde sie sich eine Puppe auf einem Markt
aussuchen. »Hm, dafür, dass du die letzten zwölf Jahre kein menschliches Wort herausgebracht hast, drückst du dich sehr gewählt aus. Wie kommt’s?«
    Ylva knirschte mit den Zähnen, versuchte, der fremden Hand auszuweichen. Noch ein wenig von diesem Gezupfe, und sie würde die Frau beißen!
    »Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist«, presste sie hervor. Ganz langsam. Gewählt eben. »Ich hoffte, jemand würde es mir erklären.«
    Endlich blieb die Frau stehen. In ihren Augen lag Missbilligung, vermischt mit einem Hauch von Belustigung. »Du warst geistesgestört. Vermutlich wegen der häufigen Verschmelzungen mit deinem Seelentier. Das passiert manchmal, wenn ein Metamorph die Vorgänge nicht steuern kann.«
    Seelentier - Metamorph - Verschmelzungen … Das kannte sie alles - musste sie kennen! So vertraut klangen die Worte. Als würde in ihnen die Erklärung liegen für all die Merkwürdigkeiten. Doch der Sinn dieser Worte offenbarte sich ihr nicht.
    Die Frau rümpfte die Nase. Nun blickte sie mit einer Verachtung auf Ylva herab, als wäre diese nichts als ein Ungeziefer. »Zieh dich an. Deine angenommenen tierischen Fähigkeiten sind noch lange kein Grund, nackt herumzulaufen.«
    Ylva nickte. Erleichtert, weil sie sich endlich aus der Nähe dieser Frau entfernen durfte, und verärgert, weil sie keine Antwort auf ihre Fragen bekam. Die Ratte schützend an sich gedrückt, tappte sie zum Schlafzimmer. Auf
der Schwelle hielt sie an und sagte, ohne den Blick vom Boden zu lösen: »Wie heißt du?«
    »Micaela. Ich bin Jägerin und die rechte Hand der Königin«, kam die - verbitterte? - Antwort. »Also sieh dich vor, und lege dich nicht mit mir an.« Die Frau stieß sie unsanft in den Rücken und warf die Tür hinter ihr zu.
    Ylva torkelte ins Zimmer. Einige Zeit verharrte sie regungslos auf der Stelle, doch wohin mit ihrer Unsicherheit und Verwirrung? Sie setzte die Ratte ab und begann, ihre Haare zu entwirren. Ein fast aussichtsloses Unterfangen, weil alles so
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