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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman
Autoren: Olga Krouk
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verfilzt war, aber es beruhigte sie tatsächlich. Manchmal war es gar nicht verkehrt, ein wenig Tier zu sein und sich das Fell zu putzen.
    Micaela. Die Jägerin. Der Name zwang sie, an ihren Vater zu denken, ohne dass sie wusste, warum. Sie wollte das nicht, wehrte sich mit allen Sinnen dagegen, doch die Erinnerungen stellten sich trotzdem ein, und bald gab es keinen Platz mehr für etwas anderes in ihrem Kopf, außer für die Bilder der Vergangenheit. Sobald sie die Lider schloss, sah sie seine Silhouette im Dunkeln.
    Er kauert auf einem Hocker, den Kopf in die Hände gestützt. Sein Weinen hatte sie geweckt. Sie reibt sich die Augen und gähnt, stöhnt: »Was ist denn, Paps? Müssen wir wieder fortlaufen?« Denn sie liefen oft fort. Weil die sie nicht kriegen durften.
    »Ich bin ein Nichtsnutz, mein Mädchen. Aber du … du wirst irgendwann zu einem richtigen Metamorph, ganz bestimmt, und die Königin wird dich in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Die Gemeinschaft wird dich beschützen.
Verstehst du jetzt, warum es so wichtig ist, dass du dein Seelentier findest?«
    Nein, damals hatte sie ihn nicht verstanden, auch jetzt nicht, außer dass sie anscheinend ihr Seelentier gefunden hatte. Die Ratte gehörte zu ihr. Wie Smaragda, die Schlange, zu Linnea und ZouZou, die Katze, zu Micaela. Hatte auch ihre Ratte einen Namen?
    Ylva schaute den Nager an, der sich neben ihren Füßen putzte, ohne sie zu beachten. War sie wirklich geistesgestört gewesen - seinetwegen? Was, wenn sie wieder den Verstand verlieren würde? Ihre Gedanken schweiften zu Linnea, die leblos im Flur gelegen hatte. Ging es dabei um eine dieser Verschmelzungen? War Linneas Geist womöglich in der Schlange gewesen? Und bedeutete der Anfall, den sie im Käfig erlebt hatte, dass sie kurz davor gewesen war, ebenso in den Körper der Ratte zu schlüpfen?
    Sie stöhnte. Statt alles klärender Antworten tauchten bloß neue Fragen in ihrem Kopf auf. Ihr war schon ganz übel davon, noch ein bisschen, und sie würde bestimmt den Verstand verlieren.
    Schluss jetzt. Ylva schob alle Zweifel beiseite und sah sich nach der Kleidung um. Die Sachen lagen ordentlich zusammengefaltet auf einem Stuhl: ein Satz Unterwäsche, ein Pullover, Socken und eine Jeans. Sogar ein Paar Fellhausschuhe wartete auf sie. Ylva zog sich an. Die Jeans schlabberte um ihre Beine, und sie musste den Stoff hochkrempeln. Der Pullover kratzte auf der Haut. Nur in den Puschen fühlte sie sich wohl.

    Ylva entschied sich, Micaelas Gesellschaft zu meiden und im Schlafzimmer zu bleiben. Sie rollte sich auf dem Bett zusammen und versuchte, sich zu entspannen. Oder vielmehr: sich gegen das zu wappnen, was noch kommen mochte. Aber es klappte kaum. Sorgen nagten an ihrer Seele, Ängste drohten sie zu übermannen. Es ging dabei gar nicht um ihre Zukunft - die Gegenwart erschien ihr schon beklemmend genug.
    Wenn sie ihre Gedanken nicht ausschalten konnte, so wollte sie ihren Kopf mit etwas beschäftigen, was sie weniger durcheinanderbrachte. So beschwor sie das Gesicht des jungen Mannes - Finns Gesicht - herauf. Sie mochte es, ihn anzusehen. Langsam kamen ihr sogar sein Geruch in den Sinn und der Klang seiner Stimme.
    »Wie soll ich dich bloß finden?«, flüsterte sie in das Kissen. »Denn das muss ich, so schnell wie möglich. Ich brauche deine Hilfe. Ich brauche dich.«
    Ylva wusste nicht, wie lange sie so gelegen hatte. Irgendwann witterte sie Linnea, noch bevor sie die Frau hörte. Der Duft, der solch eine seltsame Wirkung auf sie auszuüben vermochte, vermischte sich mit dem Geruch nach Angstschweiß, Blut und dem beißenden Gestank nach Schießpulver. Ylva lauschte dem stockenden Atem und den hektischen Schritten, sie glaubte sogar das heftige Klopfen des Herzens wahrzunehmen. Aber vielleicht war es ihr eigenes, das ihr bis zum Hals schlug.
    »Was ist passiert, meine Königin?«, erklang Micaelas raue Stimme. Sie musste ihre Frage mehrfach wiederholen, bevor eine Antwort kam:

    »Juliane Dwenger.«
    Ein Rascheln ertönte, eine Tür schloss sich - die beiden Frauen suchten einen Platz, an dem sie ungestört und vor allem ungehört reden konnten. Doch kein Winkel der Wohnung war vor Ylvas Ohren sicher. Wenn sie wollte, vermochte sie sogar den Mann zwei Etagen höher beim Essen zu belauschen - aber er schmatzte auch sehr.
    »Die ehemalige Königin?«, wisperte Micaela in dem lächerlichen Versuch, das Gespräch geheim zu halten. »Das verstehe ich nicht. Was ist mit ihr? Du hast sie vor Jahren bezwungen,
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