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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman
Autoren: Olga Krouk
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Minute schien sich ihre Stärke zu vervielfachen - wie damals in Julianes Keller. Womöglich würde es ihr Ende bedeuten, sich der Dunkelheit so sehr hinzugeben, doch in diesem Augenblick war es ihr egal.
    »Wenn ich mit dir fertig bin, hast du keine Knie mehr, dessen sei dir sicher.« Ylva verstärkte den Druck, als wolle sie ihm den Arm auswringen, bis die Knochen brachen und der Junge vor Schmerzen aufbrüllte. Ihre Nasenspitze zuckte, als sie seine Angst roch und den Urin, der sein Bein entlanglief.
    Vermutlich hätte sie ihm den Arm nicht nur gebrochen und ausgekugelt, sondern gleich ausgerissen, wenn Conrad nicht neben ihr aufgetaucht wäre. Er packte seinen Gegner am Haar und knallte den Kopf des Jungen gegen die Wand, so dass die Schädeldecke dem Beton nachgab. Der Typ sackte zusammen.
    »Passt auf!«, rief Alba von irgendwoher. »Kreaturen wie er bleiben nicht tot. Ihr müsst ihm den Kopf abtrennen.«
    Steh doch auf. Mit der Schuhspitze stieß Ylva dem Jungen
in die Rippen. Bebend vor Erregung ragte sie über ihrem Feind auf. Ich will, dass du aufstehst. So schnell wird es für dich nicht enden.
    Doch das tat es. Mehrfach hieb Conrad ihm mit dem Schwert gegen den Hals, trennte Haut, Muskeln und Rückgrat, bis der Kopf nur noch an ein paar Sehnen und blutigen Fetzen hing. Wie gebannt beobachtete Ylva den Vorgang.
    Ihr Verstand klärte sich erst, als Conrad sie umarmte, auf sie einflüsterte und ihren Körper abtastete. »Hat er dich verletzt? Oh mein Gott, er hat es!« Er berührte ihre Wunde. Seine Stimme klang brüchig, matt und dunkel vor Angst. »Blutet es stark? Verflucht, ich kann doch nichts sehen. Ylva! Sag etwas, bitte!«
    Sie tauchte aus ihrer Starre auf und sah fassungslos auf den Leib des Jungen. Gütiger, was war mit ihr los gewesen? Sie konnte unmöglich so viel Hass in sich tragen, so viel kranke Wut.
    »Ylva! Ylva …« Conrad umarmte sie fester.
    Sie schmiegte sich an ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Sie ekelte sich vor sich selbst angesichts dessen, was sie beinahe getan hätte. Bilder von den Dämonen, die die Ziege zerfetzten, stiegen in ihr hoch. Noch einen Augenblick, und sie hätte ebenfalls ihre Klauen in Innereien versenkt und ihre Zähne in warmes Fleisch geschlagen. In einen Menschen.
    In einen Dämonenträger , wandte das fremde Bewusstsein ein, versuchte, sie zu trösten. Sie, die keinen Trost verdiente.

    In einen Menschen , beharrte sie. Einen Menschen. Wieso?
    Ich bin, was ich bin. Ich ernähre mich von Gefühlen, und manchmal wächst das Verlangen nach mehr. Du darfst dem einfach nicht nachgeben. Das ist alles.
    Einfach … Alles …
    Conrads Stimme, von Sorge gezeichnet, riss sie aus ihrem Elend. »Ylva. Du blutest. Ich muss …«
    Ylva strich ihm über die Wange. Zu mehr war sie im Moment nicht imstande. Sie wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch das Recht besaß, zu lieben oder geliebt zu werden, zu hoffen oder auch nur zu leben. »Mir geht es gut, ehrlich. Es ist nur eine oberflächliche Wunde, sie wird schnell verheilen. Wir Metamorphe sind zäh.«
    Er sagte nichts mehr, und sie war ihm dankbar für den Halt, den er ihr mit seiner bloßen Anwesenheit gab. Nach und nach fand sie in seiner Umarmung wieder zu sich selbst.
    Als Ylva endlich aufsah, erblickte sie Micaela, die mit verschränkten Armen neben ihnen stand und äußerst theatralisch die Augen verdrehte. »Schluss jetzt, ihr Turteltäubchen. Gekuschelt wird später. Die Dämonenträger flüchten. Wir sind jedoch kaum in der Lage, sie zu verfolgen. Ich halte es für das Beste, hier zu verschwinden, solange die nicht begriffen haben, dass wir ihnen weit unterlegen sind.«
    Conrad entließ Ylva aus seiner Umarmung, blieb aber so nah bei ihr, dass sie seine Körperwärme spürte.
    Die Schlacht war beendet. Diejenigen, die fliehen
konnten, waren tatsächlich geflohen. Zurück blieben nur die entstellten Leiber der Gefallenen. Dazu Stella, die an ihrem Platz ausharrte und apathisch vor sich hin starrte. Niemand kümmerte sich um sie. Ylva fragte sich, ob die junge Nachzehrerin den ganzen Kampf überhaupt mitbekommen hatte oder seit der Vernichtung des Messias viel zu verstört war. Da verließ ein einziges Wort Stellas Lippen: »Conrad?«
    Er spannte sich an, ohne sich ihr zuzuwenden. Ylva sah, wie seine Nasenflügel bebten, doch als er antwortete, klang seine Stimme vollkommen ruhig: »Sollten Sie mit mir über das Geschehene reden wollen … Lassen Sie das.« Kein Hass, kein Verachtung schwang darin mit,
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