Hexenseelen - Roman
schwächelten. Sie wussten nur nicht, ob ich oder mein Bruder Alexej sie heimsuchten. Schließlich war er sein Leben lang so krank. Deshalb haben sie unsere Leichen
schon am nächsten Tag wieder aus dem Bergwerksschacht, in dem sie die Überreste meiner Familie entsorgen wollten, geborgen und verbrannt. Über meine Eltern und Schwestern goss man vorsichtshalber Schwefelsäure. Aber die Beseitigung der Leichen kann vielleicht einen einfachen Geist stoppen, aber keinen Nachzehrer. Und schon gar nicht eine Verfluchte. Das Volk soll unter der Regentschaft meiner Familie gelitten haben? Nun, jetzt werde ich zeigen, was Leiden wirklich bedeutet.«
»Verstehe«, flüsterte Adrián resigniert. »Damit bringt man die Menschen umso einfacher dazu, an die richtigen Götter zu glauben, was?«
Oya kam auf ihn zu und tätschelte ihm die Schulter. »Die richtigen Götter, das hast du sehr schön gesagt. Es ist Zeit, dass die richtigen Götter ihre verlorene Macht wiedererlangen. Diese Welt muss erlöst werden, und wir sind bereit, ihr eine neue Ordnung zu bringen.«
Maria schaute zu ihm auf. Ihre feinen Züge wurden weich, die Schönheit ihres Gesichtes schien aufzuleuchten, je länger sie ihn betrachtete. »Ich biete dir den Platz an meiner Seite, Adrián. Ich möchte die Welt mit dir teilen. Ich möchte dich … wieder lieben dürfen.«
»Mein Platz ist im Clan.«
»Ach ja. Der Clan. Zugegeben, ich dachte, er würde zerfallen, sobald ich Conrads Geist breche, sobald er begreift, dass er in seinem Zustand niemanden anführen kann. Ich habe alles getan, um ihn und euch zu Fall zu bringen. Um euch zu zeigen, wie sinnlos euer Widerstand ist. Doch er hat sich wieder aufgerappelt.
Tja, in einem hatten die Kommunisten Recht: Symbole muss man vernichten. Ich habe tatsächlich unterschätzt, wie stark Conrad ist und was er für euch bedeutet. Mir blieb nichts anderes übrig, als euch in diese Falle zu locken, um den Clan endgültig zu zerschlagen.
Und nun wach auf, Adrián. Sieh ein, dass Conrad verloren hat. Und komm an meine Seite. Bitte. Ich … ich brauche dich.«
»Muss ich meine Antwort wirklich aussprechen?«
Maria schnaubte. »Du bist der Letzte, der sich noch wehrt. Was erhoffst du dir davon? Du kannst nicht allein gegen uns bestehen.«
»Dann gehe ich lieber unter, als Conrad und den Clan zu verraten.«
»Verflucht, Adrián, welchen Clan denn noch?«, rief Maria verzweifelt aus. »Was kann dir Conrad geben, was ich dir nicht geben könnte? Ich liebe dich!«
»Aber ich …« Er stockte. »Ich liebe eine andere. Alles, was Ihr … was du mir damals gesagt hast, hat sich bewahrheitet: Sie hat mich belogen, vielleicht auch benutzt und auf jeden Fall verletzt. Und ich habe sie verstoßen, und dennoch kann ich sie nicht vergessen, egal, wie sehr ich mich bemühe. Denn in einem irrst du dich: Liebe braucht keine Basis. Sie ist einfach da, sie schmerzt, und man kann sie verleugnen, aber nicht wie Unkraut herausreißen, sollte sie stören. Man kann sie weder erklären noch ergründen.«
Oya verdrehte die Augen. »Meine Güte, wie schaffst du es, bei all dem Kitsch, den du gerade von dir gibst, nicht
zu erbrechen? Mir wird schon beim Zuhören übel. Aber wenn du unbedingt untergehen willst, kann ich das gern arrangieren.« Sie hob eine Hand und bewegte langsam die Finger, als würde sie an unsichtbaren Saiten zupfen. »Soll ich?«
Noch zögerte Maria, dann nickte sie. »Es ist wirklich sehr schade, dass es so enden muss. Aber Feinde am Leben zu lassen, kann ich mir nicht leisten.«
Die Worte waren noch nicht verklungen, als Oya ihre Hand in Adriáns Gesicht krallte. Ylva roch verkohltes Gewebe, sprang auf und stürzte sich auf die Hexe.
»Nein!«, rief sie und versuchte, die Mächtige wegzuzerren, wurde aber von ihr wie ein lästiges Getier beiseitegeschleudert. »Nein!«, brüllte sie trotzdem und hoffte, Adrián möge sie hören. »Kämpfe! Du kannst dich ihr widersetzen, hörst du?«
Er schrie auf und ging vor der Hexe in die Knie. Ylva glaubte zu sehen, wie sich seine Haut zersetzte und zu Asche zerfiel. Sie hielt den Atem an. Wenn sie schon ersticken sollte, dann wenigstens nicht an dem Geruch des verbrannten Fleisches.
Kapitel 31
E r wird es nicht schaffen . Das Raunen des Dämons vermischte sich mit Ylvas Gedanken, und sie fühlte sich wie gelähmt, dem Grauen, das sich vor ihren Augen abspielte, vollkommen ausgeliefert. Du kannst ihm nicht helfen …
Etwas Metallenes fiel auf den Boden - die Pistole, die
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