Hexenseelen - Roman
einige tragen bereits die Dämonen in sich. Ich durfte mit ein paar von ihnen schon Bekanntschaft machen. Sie trennen uns voneinander und machen uns einzeln
fertig, wir werden ihnen nicht lange standhalten können.«
Maria drückte Ylva noch fester an sich, nickte und senkte den Kopf.
Ylvas Ohren zuckten, als sie ein Geräusch weiter hinten im Gang wahrnahm. Alarmiert schaute sie sich um. Tatsächlich! Jemand schlich sich an Maria heran. Und die Lady schien es noch nicht bemerkt zu haben!
»Da ist Stella!«, rief sie aus Leibeskräften, als sie das Mädchen mit den afrikanischen Zöpfen erkannte. Doch Maria rührte sich nicht, und als Ylva aufblickte, sah sie auch hinter Adrián mehrere Silhouetten aus der Dunkelheit auftauchen. Sie waren umzingelt!
Der Nachzehrer fuhr herum und brachte seine Pistole in Anschlag.
»Flieht!«, warf er Maria über die Schulter zu. »Ich versuche, die hier aufzuhalten.«
»Nein«, antwortete die Lady so gelassen, dass Adrián sich ihr überrascht zuwandte und sogar seine Waffe ein kleines bisschen senkte.
»Nein?«
»Niemand muss hier weglaufen. Es ist vorbei.«
Stella kam näher und stellte sich neben Maria, etwas unschlüssig, wie es Ylva vorkam. Das Mädchen starrte beharrlich auf seine Stiefel und wagte es nicht, den Blick zu heben.
Wieder ertönten Schritte, und diesmal gesellte sich Oya zu ihnen. Ylva keuchte und stolperte zur Seite, doch Maria brachte sie mit einem Ruck wieder zurück.
Die Mächtige lächelte und kämmte Ylva durch das verfilzte Haar. Die langen, sorgfältig manikürten Finger zerrten unsanft an den Knoten in den Strähnen und trieben ihr Tränen in die Augen. »Ich freue mich, dass du dich erholt hast, Tochterherz. Auf dich wartet nämlich noch viel Arbeit. Unzählige Dämonen sehnen sich nach dem Einzug in diese Welt, und du glaubst gar nicht, wie sehr die Auserwählten darauf brennen, endlich einen in sich tragen zu dürfen. Du willst doch deine Mutter nicht enttäuschen, indem du schlappmachst, oder?«
Ylva schnaubte. Am liebsten hätte sie ihr ins Gesicht gespuckt, wenn ihr Mund nicht so ausgedörrt gewesen wäre.
»Ja, es ist vorbei«, fuhr die Hexe fort. »Sieh das endlich ein, Adrián. Deine Leute sind zerschlagen. Sie haben es bereits verstanden und sind endlich auf den rechten Weg getreten. Tu es ihnen gleich.«
Adriáns Blick wanderte von einem Gesicht zum anderen. »Maria?« Entsetzen ließ seine Züge entgleisen. »Ihr … Ihr auch?«
Die Lady zuckte mit den Schultern. Beinahe entschuldigend. Der Griff, mit dem sie Ylva an sich presste, wurde eisern. »Schon von Anfang an.«
Oya lachte. »Ach, sei nicht so bescheiden. Ich denke, es ist Zeit, die Wahrheit zu verkünden.« Sie breitete die Arme aus und trat auf Adrián zu, auf die Leute, die hinter ihm standen und ihm den Fluchtweg abschnitten. »Hört, hört! Kniet nieder vor eurem Messias! Seht in das glorreiche Antlitz! Spürt ihr seine Herrlichkeit, an diesem
Tag des großen Sieges? Spürt ihr die Freiheit? Maria ist diejenige, die euch die neue Ordnung bringen wird!«
Ein heißer Wind fuhr durch den Korridor und wirbelte den Schmutz vom Boden auf. Ylva blinzelte. Die Staubpartikel kratzten in ihrer Kehle, und sie hustete, bis sie glaubte, dass ihre Lunge gleich reißen würde.
Stella und die Leute hinter Adrián sanken auf die Knie. Fast gleichzeitig legten sie die Hände zu einem Rombus zusammen und führten das Zeichen an ihre Stirnmitte.
Nur Adrián blieb aufrecht, wie zu einer Salzsäule erstarrt. »Maria … wie konntet Ihr …« Er kämpfte um Worte und verstummte, weil es nichts gab, was noch gesagt werden musste.
Die Lady seufzte, und auf ihre feinen Züge legte sich eine Spur von Traurigkeit. »Du hast mir die Augen geöffnet, Adrián. Ja, du, der du mich wegen einer anderen verstoßen hast. Tagelang habe ich gegrübelt, was an mir falsch war, warum das erste Flittchen, das du nicht einmal richtig kanntest, mich so leicht ersetzen konnte. Dann habe ich in den Spiegel gesehen, und weißt du, wen ich darin entdeckt habe? Eine Fremde. Ich war so sehr und so lange in dieser dämlichen Maskerade gefangen, dass ich mich selbst verloren habe. Kein Wunder, dass niemand mehr Respekt vor mir hatte. Kein Wunder, dass du mich wie ein benutztes Taschentuch weggeworfen hast, sobald etwas Neues am Horizont erschien.«
Bestürzt schüttelte Adrián den Kopf. »Was redet Ihr da? Jeder von uns hat Euch Respekt gezollt. Das, was zwischen mir … und … Evelyn …« Seine Stimme
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