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Hexenjagd

Hexenjagd

Titel: Hexenjagd
Autoren: Katica Fischer
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der Tat gingen schon seit einigen Wochen verschiedene Gerüchte über Celiska durch den Betrieb. Sie sei auf eigenes Betreiben hin zur Juniorchefsekretärin befördert worden, hieß es zum Beispiel, was nur auf eine bestimmte Art zu bewerkstelligen war, nämlich über ganz „spezielle“ Methoden. Die einen nannten es „persönliche Dienstleistung“, andere dagegen drückten sich nicht so gewählt aus. Sie sei doch sicherlich nicht wegen ihres fachlichen Könnens ausgewählt worden, sondern nur wegen ihrer Bereitwilligkeit, auf ihren Vorgesetzten „einzugehen“, hieß es weiterhin, wobei man vergaß, dass sie noch niemals Anlass zu solchen Äußerungen gegeben hatte. Weder führte sie einen lockeren Lebenswandel, noch ließ sie sich mit ständig wechselnden Männerbekanntschaften sehen. Im Grunde sah man sie immer allein, aber das war nur wieder ein Hinweis darauf, dass sie sich an den Junior heranmachte, um ihre Position zu stärken.
    Celiska wusste von dem Gerede und war insgeheim entsetzt darüber, zu welch infamen und heimtückischen Lügen ihre Kolleginnen imstande waren. Da sie den Verleumdungen aber nichts entgegenzusetzen hatte, tat sie nach außen hin meist so, als berühre sie das alles überhaupt nicht.
    „Ist mir egal, was sie schwätzen“, behauptete sie auch diesmal scheinbar gelassen. „Außerdem kapsele ich mich gar nicht ab. Ich habe nur in Ruhe die Anzeigen lesen wollen. Ich suche nämlich eine Wohnung.“
    Verena hatte die aufgeschlagene Zeitung durchaus bemerkt. Trotzdem wollte sie diese Erklärung nicht gelten lassen.
    „Komm doch mit“, bat sie. „Die Anzeigen kannst du auch später lesen. Nur wenn du ihnen zeigst, dass du nicht abgehoben bist, werden sie aufhören.“ Sie meinte immer noch die Worte der Frau zu hören, die mit einem hämischen Unterton behauptet hatte, Celiska fühle sich wohl mittlerweile als etwas Besonderes, weil sie nicht mehr in die Kantine komme. Na ja, hatte die Hetzerin hinzugefügt, es sei ja verständlich, dass Celiska sich so radikal abgrenzte, wo sie doch ein eigenes Büro hätte, in dem man sich so schön zurückziehen konnte, ohne vom „niederen Volk“ belästigt zu werden. Verena hatte sich die Tirade voller Entsetzen und wachsendem Zorn angehört, ohne einen Ton zu erwidern, einfach weil sie in diesem Moment nicht reagieren konnte. Sie saß genauso in dem Großraumbüro wie die anderen auch, verspürte jedoch nicht den Neid, der die Sprecherin so offensichtlich beherrschte. Sie fühlte sich auch nicht minderwertig, nur weil sie kein eigenes Büro aufzuweisen hatte, was aber bei den restlichen Frauen durchaus der Fall zu sein schien, denn sonst hätten sie sicher nicht so empfindlich reagiert. Eine hatte den Anfang gemacht, erinnerte sie sich, wobei nun niemand mehr so recht sagen konnte, wer es eigentlich gewesen war. Mittlerweile zogen fast alle mit, so dass die Kampagne gegen die Freundin auf vollen Touren lief.
    Celiska sah durchaus ein, dass Verena Recht hatte. Dennoch mochte sie nicht hinuntergehen. Sie wollte nicht begafft werden, als hätte sie unzählige hässliche Warzen im Gesicht. Und essen mochte sie schon gar nicht, wenn hinter ihrem Rücken getuschelt und gekichert wurde. Deshalb schüttelte sie nur ablehnend den Kopf, auch wenn sie die offensichtliche Enttäuschung im Gesicht ihrer Besucherin erkannte.
    „Wie du willst“, gab Verena endlich nach. „Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Du kennst die Meute! Und du weißt, wie abscheulich sie sein kann.“ Dann stand sie auf und verließ das Büro.
    Die Zurückbleibende saß einen langen Augenblick grübelnd da, wandte sich dann aber wieder ihrer Zeitung zu, in der sie vor dem unerwarteten Besuch der Freundin ein interessantes Angebot bemerkt hatte. Mit einem roten Stift zog sie einen dicken Kreis um das Inserat und beschloss, noch am gleichen Abend anzurufen, um sich einen Besichtigungstermin geben zu lassen.
    „Ach, Madame ist auch schon da!“
    „Guten Abend, Mutter“, versuchte Celiska freundlich zu sein. „Wie war dein Tag?“ Obwohl sie sich sehr anstrengen musste, den sofort einsetzenden und zumeist wehleidigen Ausführungen zu folgen, hörte sie sich alles geduldig an, ohne einen Kommentar abzugeben. Als die Mutter endlich schwieg, legte Celiska die Zeitung aus der Hand und ging ins Badezimmer, um sich vor dem Essen die Hände zu waschen. Dass das Blatt anschließend nicht mehr dort lag, wo sie es abgelegt hatte, nahm sie zunächst gar nicht wahr, denn
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