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Hexenheide

Hexenheide

Titel: Hexenheide
Autoren: aerts
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geworden. Sie hatte schon früher einmal gesagt, dass ihr davon schwindelig wird.
    Er sieht sie wieder vor sich. Und dann kriegt er plötzlich wieder eine Gänsehaut. Er kriecht tief unter seine Bettdecke und zieht sie bis zum Kinn hoch.
    Er denkt an Rinnie. Doch was auch immer mit Rinnie passiert ist, kann doch damit nichts zu tun haben? Oder ist vielleicht mit ihr so was passiert, wie heute Mittag mit Lenne? Vielleicht hat sie auch zu lange raschelnde Blätter angesehen und ist dann ohnmächtig geworden, irgendwo mitten auf der Heide. Aber ohnmächtig werden ist eigentlich nicht so schlimm, irgendwann kommt man von selbst wieder zur Besinnung. Und dann hätte sie doch einfach nach Hause gehen können. Sie ist bestimmt nicht irgendwo auf der Heide liegen geblieben. Die Polizei hatte damals mit wild schnüffelnden Hunden die ganze Heide abgesucht. Ein ohnmächtiges Mädchen, das da lag, hätten sie mit Sicherheit gefunden.
    Karim schlägt die Bettdecke zurück und steigt aus dem Bett. Er zittert vor Kälte, aber irgendetwas zwingt ihn, aus dem Fenster zu gucken. Widerwillig geht er zu den dunkelblauen Vorhängen und zieht sie zögernd ein Stück zurück, gerade weit genug, um durch den Spalt spähen zu können.
    Von seinem Fenster aus sieht er auf die Heide. Tagsüber kann er etwas entfernt den kleinen Wald sehen, den er nun wieder mit Lenne jeden Tag durchquert. Aber jetzt ist es dunkel.
    Karim legt seine Stirn an das kalte Glas und starrt in Richtung Birkenwald. Der Mond steht hell am Himmel, sodass er die Umrisse der Bäume erkennen kann. Sonst nichts. Oder doch? Sein Blick wird von etwas Merkwürdigem angezogen, ein Stück links von der Baumgruppe. Er kneift die Augen zusammen und schaut noch einmal genau hin. Es sieht aus wie zwei kleine grüne Lichter. Da muss er plötzlich an den Hund von seiner Tante denken. Wenn sich der Hund unter den Tisch legt und man die Tischdecke hochzieht, um darunter zu gucken, leuchten die Augen des Hundes manchmal in der gleichen Weise auf. Zwei leuchtende grüne Murmeln, die einen aus dem Halbdunkel anstarren. Die Gänsehaut, die Karim inzwischen bekannt ist, überzieht plötzlich wieder seine Arme, und erschrocken macht er einen Schritt zurück. Schnell zieht er die Vorhänge zu und reibt sich über die Arme. Doch die Gänsehaut verzieht sich nicht, sondern kriecht ihm bis in den Nacken. Es fühlt sich an, als würden sich die Haare auf seinem Kopf senkrecht aufstellen.
    Mit einem großen Sprung ist er im Bett und zieht sich die Decke bis über den Kopf.
    Morgen geht er bestimmt nicht über die Heide, sondern bleibt brav auf der Straße! Dann muss er zwar zehn Minuten länger laufen, aber auf den Weg zwischen den Bäumen hindurch kriegen ihn keine zehn Pferde mehr!

3
     
     

     
     
     
     
     
     
    »Papa, gibt es auf der Heide Wölfe?«, fragt Karim seinen Vater morgens beim Frühstück.
    »Fängst du jetzt schon wieder mit der Heide an. Wölfe, Eichhörnchen … Was hast du bloß?«
    »Nichts!«, sagt Karim und gießt sich einen kräftigen Schuss Milch auf seine Cornflakes. »Aber ich … ich kann die Heide sehen, das weißt du doch, aus meinem Fenster oben. Und es kommt mir manchmal so vor, als würde ich, äh, da Tiere rumlaufen sehen und so.« Das ist nicht gelogen, und so muss er seinem Vater nichts von dem kürzeren Weg erzählen, den er und Lenne nun ein paarmal gewählt hatten.
    »Kannst du aus deinem Fenster oben Eichhörnchen auf der Heide erkennen?« Sein Vater lacht. »Dann hast du die besten Augen, die je ein Mensch gehabt hat, Junge.«
    »Na ja, und wie ist es mit Wölfen?«, fragt Karim so ganz nebenbei.
    »Wölfe gibt es in den Niederlanden doch schon lange nicht mehr.«
    »Ein Fuchs«, sagt Karims Mutter. »Es könnte ein Fuchs gewesen sein, den du gesehen hast.«
    Karim stößt einen Seufzer der Erleichterung aus. Natürlich, ein Fuchs! Dass er daran nicht früher gedacht hat. Füchse sind rotbraun. Und es könnte sehr gut sein, dass sie genau wie Hunde Augen haben, die im Dunkeln aufleuchten. Er lächelt seine Mutter an.
    Seine Mutter lächelt zurück und fragt sich, womit sie dieses strahlende Lächeln ihres Sohnes verdient hat. Sie steht auf und schaut auf ihre Uhr. »V erdammt, ich komme schon wieder zu spät. Karim, soll ich dich zur Schule fahren?«
    Karim deutet auf seine Cornflakes, er hat noch nicht einen Löffel davon gegessen. »Nein, ich hole Lenne gleich ab.«
     
    Lenne wartet an der Kreuzung auf ihn.
    »Weißt du, was es war?«, ruft er schon
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