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Hexe auf leisen Sohlen

Hexe auf leisen Sohlen

Titel: Hexe auf leisen Sohlen
Autoren: Carter Brown
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Aubrey, und sie glauben fest an dich, davon kannst du
überzeugt sein. Nach dem üblen Spiel, das Vernon Clyde und dein Vater mit dir
getrieben haben — also, sie stehen ganz auf deiner Seite. Alle hoffen, daß du
das Zeug dazu hast, alter Junge. Das ist alles.«
    »Das Zeug wozu?«
    »Talent, Begabung, für den
Hamlet«, sagte ich. »Diese Schiebung bei deinem Vorsprechen, also, das war
einfach nicht fair. Ich meine, da gaben sie dir gar keine Chance. Das haben sie
doch nur gemacht, um dich auszulachen.«
    »Woher weißt du das alles?«
fragte er laut. »Hast du mir nachspioniert, Boyd?«
    »Immer mit der Ruhe, alter
Junge«, sagte ich sanft. »Das ist allgemein bekannt. Aber sie sind alle für
dich. Selbst wenn du gar kein Talent hättest. Die Leute sind der Ansicht, daß
dein Vater, da er ja nun selbst einmal ein großer Schauspieler ist, dir
gegenüber wenigstens fair sein sollte.«
    »Ein großer Schauspieler — mein
Vater?« antwortete er rauh . »Er ist der größte
Stümper, den es je gab. Also, mein Hamlet...« Dann brach er unvermittelt ab.
»Hör mal, Danny, mir fällt gerade ein, daß Adele jetzt zu Hause ist. Warum
gehst du nicht zu ihr und leistest ihr Gesellschaft bei einem Drink?«
    »Gern«, antwortete ich, »das
ist eine großartige Idee, Aubrey. Du bist ein Genie.«
    Ich blieb stehen, wo ich war,
und versperrte ihm den Weg zu dem Fahrstuhl. Er trat von einem Fuß auf den
anderen, wobei die Panik in seinen Augen stieg. Ich sah auf seine rechte Hand
hinunter.
    »Einen schönen Siegelring hast
du da, Aubrey«, sagte ich begeistert. »Hast du etwas dagegen, wenn ich ihn mir
näher ansehe?«
    »Selbstverständlich nicht«,
antwortete er zwischen zusammengepreßten Zähnen. Langsam hob er seine rechte
Hand.
    Ich ergriff sie mit meinen
beiden Händen und tat so, als betrachte ich den Ring. Dabei packte ich mit der
linken seinen kleinen Finger, bog ihn fest zusammen und drückte — immer
stärker.
    Aubrey stand nur starr da und
traf keine Anstalten, seine Hand fortzuziehen. Nach einer Weile schloß er die
Augen. Ich drückte jetzt mit aller Kraft, aber er blinzelte nicht einmal.
Schließlich ließ ich seine Hand los, und sie fiel an seiner Seite herunter.
    »Hat das weh getan, Aubrey?«
fragte ich ihn.
    »Nein«, murmelte er, »überhaupt
nicht.«
    Er öffnete seine Augen, und sie
hatten einen weichen, verträumten Ausdruck, der langsam verschwand. Er kaute
auch nicht auf seinem Schnurrbart.
    »Du bist ein seltsamer Bursche,
Aubrey«, sagte ich unbefangen. »Aus dir werde ich einfach nicht klug.«
    Der träumerische Blick
verschwand ganz, und ich konnte die Unruhe erkennen, die wieder in seinen Augen
erschien.
    »Danny« — er stotterte bei
meinem Namen —, »ich muß jetzt gehen. Bitte laß mich vorbei.«
    »Sei nicht so ungesellig,
Aubrey«, sagte ich, »das paßt gar nicht zu dir.«
    Er starrte verzweifelt zur Decke
hinauf, den Mund fest zugepreßt . Seine Hände waren zu
Fäusten geballt und trommelten ungeduldig gegen seine Seiten.
    »Die Nachrichten über deinen
Vater sind doch auch ausgezeichnet«, sagte ich.
    »Was willst du denn eigentlich
von mir, Boyd?« fragte er mit gepreßter Stimme.
    »Ich meine es ehrlich«,
antwortete ich. »Ihn für einige Zeit in dem Sanatorium unterzubringen, machte
mir gar nichts. Aber daß er als gemeingefährlicher Wahnsinniger hingestellt
wird, das, finde ich, geht zu weit. Aber jetzt ist das wohl vorbei, Aubrey. Er
muß jeden Augenblick zu euch zurückkommen, und dann ist die Familie wieder
glücklich vereint.«
    »Das kannst du mir nicht ohne
jeden Grund sagen«, entgegnete er mit leiser Stimme. »Zum letztenmal ,
Boyd, was willst du eigentlich von mir?«
    »Aber, Aubrey«, sagte ich
ungeduldig, »ich unterhalte mich mit dir in aller Freundschaft, das ist alles.
Was ist denn mit dir los?« Ich blickte ihn verständnisvoll an. »Du hast zu
wenig Umgang mit Frauen, das fehlt dir wohl? Oder vielleicht sind die Frauen
für dich auch nicht lebhaft genug?« Ich lachte schallend, als ob das ein neuer
Witz wäre und ich ihn gerade selbst erfunden hätte. »Du hast doch was für
Mädchen übrig, Aubrey, oder nicht?«
    Ich folgte Adeles Rat. Die
ganze Zeit über beobachtete ich seine Augen. Ich sah die Veränderung kommen,
langsam zuerst, aber dann immer schneller.
    Der Widerwille und die Furcht
verschwanden. An ihre Stelle trat eine polierte Kälte, die diamanthart wurde.
Er hatte einen Entschluß gefaßt, und jetzt hatte er keine Angst mehr vor mir.
Ich konnte seine
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