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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt
Autoren: Alexandra Potter
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zugenommen, weil ich nicht mehr strikt Diät halte, finde aber, dass es mir sehr gut steht, weil es mich nicht mehr so hager und damit fast ein wenig jünger aussehen lässt. Außerdem sind meine Brüste größer geworden, und Brüste sind eindeutig ein Muss bei diesem Kleid, denke ich, als ich anfange, mit der Standbesitzerin zu handeln, am Ende aber nachgebe und es zum geforderten Preis erstehe.Aber das kümmert mich nicht - es gehört zum Spaß eines Flohmarktbesuches dazu. Das ist eines der Dinge, die ich dank der Begegnung mit meinem jüngeren Ich wiederentdeckt habe. Zumindest denke ich das. Aber wenn ich es mir jetzt so überlege, bin ich mir vielleicht nicht ganz sicher.
    Seit meinem Unfall sind neun Monate vergangen. Meine Knochenbrüche sind verheilt, die Narbe auf meiner Stirn  verblasst und damit auch meine Gewissheit, was genau in der Woche vor dem Unfall vorgefallen ist. Oder nicht vorgefallen ist. Die Grenze zwischen Realität und Fantasie, zwischen dem, was ich glaube, und dem, was ich gern glauben möchte, ist verschwommen. Rückblickend betrachtet bin ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich meinem jüngeren Ich an diesem Morgen an der Ampel tatsächlich begegnet bin, ob ich tatsächlich Zeit mit ihr verbracht und sie und damit auch mich ein Stück weit besser kennen gelernt habe. Schließlich klingt das Ganze doch ziemlich verrückt - mehr als ziemlich sogar.
    In den folgenden Wochen gab es einige Momente, in denen ich dachte, dass Beatrice vielleicht doch Recht und ich mir all das nur eingebildet haben könnte. Als Erstes verschwand der Strafzettel auf einmal spurlos. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, suchte ich überall danach, aber irgendjemand musste ihn weggeworfen haben, deshalb konnte ich das Datum nie überprüfen. Als ich das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war ich ziemlich neben der Spur gewesen.Vielleicht hatte ich mich ja geirrt, das Datum nicht richtig gelesen oder sonst etwas falsch verstanden. Und als es mir wieder gut genug ging, um Auto fahren zu können, war die Umleitung verschwunden, und ich sah weder mein altes Ich noch meinen alten Käfer je wieder. Und als ich bei dem Haus vorbeifuhr, in dem ich früher gewohnt hatte, stellte ich fest, dass heute ein junges Paar mit einem Baby dort lebt.
    Ich gehe weiter über den Markt, lasse auf der Suche nach einem Schnäppchen den Blick über die Stände schweifen. Aber eine Frage bleibt doch:Als die Polizei anrief, um mich zum Unfallhergang zu befragen, erfuhr ich, dass die Straße 1997 zum letzten Mal beidseitig befahrbar gewesen war. Laut Unterlagen der Stadtverwaltung wurde sie vor etwa zehn Jahren zur Einbahnstraße, und zwar nach einem ziemlich  üblen Verkehrsunfall. »Die Unterlagen sind allem Anschein nach verloren gegangen, aber ich erinnere mich dunkel, dass ein Laster und ein PKW darin verwickelt waren«, hatte mir der Polizist am Telefon erklärt. »Was ein ziemlicher Zufall ist, was?«
    Vielleicht ist es also doch passiert. Nun ja, die Vorstellung gefällt mir, aber wer kann das schon sagen? Ich war auch in Versuchung, bei Google unter »Morphium und Träume« nachzusehen, aber dann fiel mir der Rat des Arztes wieder ein. Ich versuche, meine Google-Sucht in den Griff zu bekommen, und bin seit mittlerweile neun Monaten clean.
    Also - bin ich nun meinem 21-jährigen Ich begegnet oder nicht? War es alles nur Einbildung, ein so tief in meinem Unterbewusstsein verankerter Wunsch, mich selbst zu finden, dass ich mich im wahrsten Sinne des Wortes gefunden habe? Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren. Aber eines steht fest: Ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr diese ausgelaugte, angespannte Frau, die ich vor dem Unfall war. Ich habe gelernt, wie ich mich entspannen, wie ich Spaß haben und Urlaub genießen kann.
    »Ich habe dir ein Glas Rosé bestellt.«
    Ich betrete das kleine Straßencafé, in dem ich mich mit Oliver verabredet habe, der bereits auf mich wartet. Er sitzt da, die Hemdsärmel aufgekrempelt, die Sonnenbrille auf der Nase, und studiert bei einem Bier die Speisekarte. Immer, wenn wir irgendwo sitzen, nimmt er sich die Speisekarte vor, um Inspirationen für neue Kreationen und ungewöhnliche Gerichte zu bekommen.
    »Danke.« Lächelnd gebe ich ihm einen Kuss, worauf er die Arme um mich legt und mich auf seinen Schoß zieht. Ich nippe an meinem eisgekühlten Wein. »Hmm, köstlich«, schwärme ich - und damit meine ich nicht nur den Wein.
    Wir verbringen das Wochenende in Paris, womit ich endlich
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