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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman
Autoren: Gunter Gerlach
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Seen und Bäche bildet und die kleinste Vertiefung nutzt, um Stromschnellen und Wasserfälle entstehen zu lassen, und kaum ist die Regenzeit vorbei, sind alle Spuren wieder verweht. Wer dort lebt, muss auf Raubzüge gehen. Karawanen überfallen. Keine Überlebenden.
    »Scotty, ich bin ein Beduine. Ich will sagen, ich lebe in der Wüste, wie ein Kamel. Ich hab eine großen Wasservorrat, mehr hab ich nicht zu bieten, aber ich bin bereit, aus mir einen Menschen zu machen, beziehungsweise einen anderen Menschen. Einen, der seine Vorräte teilt, die Wüste fruchtbar macht, höflich, nett und lieb ist und all diese Sachen.«
    Sie lachte.
    »Ich werde mich in jeder Hinsicht bessern. Ich mache sofort eine Liste all der Dinge, die ich an mir ändern muss. Nicht mehr in der Nase bohren, nicht das Messer ablecken, nach dem Frühstück abwaschen. Ich schwöre es. Sag mir, was ich tun soll. Es gibt bestimmt auch Volkshochschulkurse für Menschen wie mich.«
    »Hör auf, es hat überhaupt nichts mit dir zu tun. Es war ein Geschäft.«
    Meine Lunge verkleinerte ihr Volumen. Es konnte kein Gefühl sein, es war eine Krankheit.
    »Hat es dich Überwindung gekostet?«
    Ich sah zu Boden, um die Antwort nicht ihrem Gesicht abzulesen.
    »Dummkopf. Ich hätte es überhaupt nicht gemacht, wenn du mir nicht gefallen hättest.«
    »Du magst mich also, dann ...«
    »Ich kann nicht bleiben.«
    »Und könntest du nicht ... Ich meine, wie viel Geld hast du bekommen? Wenn ich auch einfach ... ich meine, ich bezahle einfach mehr. Sagen wir, doppelt so viel. Nur als Verhandlungsbasis. Oder? Was meinst du?«
    Ich war nur ein einziges Mal in einem Bordell. Mein Bauch blähte sich unter mir, meine Brust sank zusammen, ich wurde zu einem fetten alten Mann, der aus den Mundwinkeln sabberte und dessen Attraktivität seine Brieftasche war.
    Sie legte den Kopf schräg.
    »Gut, schon gut. Dreimal so viel«, erhöhte der sabbernde Freier. Sie fuhr sich mit dem Zeigefinger ins Ohr.
    »Noch mehr? Okay, so viel du willst, alles ...«
    »Halt, halt, halt!« Sie rüttelte an ihrem Ohr. »Nicht weiterreden.«
    »Bist du wirklich so eine, so eine ... ich kann es gar nicht glauben.«
    »Bitte, gib mir das große Handtuch.«
    »Wer verdammt bezahlt eigentlich für mich?«
    »Ich weiß es auch nicht.«
    Ich breitete das Handtuch aus, sie hob die Arme, und ich hüllte ihren Körper darin ein. »Du bist ein Geschenk von einem Unbekannten?«
    Ich hielt sie fest und küsste sie auf die Nase. Sie ließ es sich gefallen. Ihre Haut roch metallisch, war aber eindeutig Kunststoff. Zu dem wenigen, was mir eine klare und direkte Verbindung zur Außenwelt erlaubte, gehörte mein Tastsinn. Im Gegensatz zu meinen Seh- und Geruchsnerven, zu meinem Gehör waren Berührungen mit klaren Konturen versehen, wie ein überdeutliches Landschaftsfoto, manchmal von schneidender, nach Blut schmeckender Schärfe. »Du bist kein Mensch!«
    Sie nickte, sah auf ihre Beine, tippte schließlich auf einen winzigen Leberfleck. »Hast du den gesehen? Ich bin fehlerhaft. Ich muss zurück in die Fabrik. Eine Rückrufaktion.«
    Ich war bereit, ihr zu glauben. Ein Roboter, warum nicht?
    »Und kann ich ein neues Modell bekommen? Eines, das bei mir bleibt? Was kostet so etwas?«
    Sie befreite sich von mir.
    »Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber es war so: Ein Anwalt gab mir einen Vertrag und das Geld.«
    Sie drückte die Hände gegen meine Brust. Diese Verbindung weichte meine Knie auf. Wie konnte das geschehen? Wie machte sie das? Ich ging rückwärts, bis ich an die Badewanne stieß, und musste mich auf den Wannenrand setzen.
    »Scotty, ich meine ... machst du öfter so etwas? Ich meine, du bist doch keine ... oder doch?«
    Scotty wickelte sich fester in das Handtuch und kniete sich vor mich, legte ihre Hände – wie ein Hund seine Pfoten – auf meine Knie.
    »Hör zu. Ich hab es getan, weil ich dich mag. Verstehst du? Ich mag dich! Alles andere war wie ein Spiel. Mal sehen, ob ich das überhaupt kann, wie ich mich dabei fühle und so weiter. Ich hab das nie zuvor gemacht. Und im Vertrag stand nicht, dass ich die ganzen Tage und Nächte mit dir verbringen müsste. Natürlich nicht. Aber ich hab es getan, weil es mir gefallen hat, mit dir zusammen zu sein. Verstehst du?«
    Sie streichelte meine Oberschenkel und Knie. »Und weil du mir gefällst, sage ich dir das alles. Du sollst nicht glauben, du wärst verlassen worden.«
    »Ich soll nicht glauben, ich wäre verlassen worden! Aber ich werde gerade
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