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Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)

Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)

Titel: Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
Autoren: Melissa Darnell
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ein. „Wir werden ihn für die Prüfung am Leben lassen.“
    Und danach?
    Eines nach dem anderen, Sav, ermahnte ich mich.
    Die massive Metalltür hinter mir wurde von außen geöffnet, und der Wächter neben dem Fenster brachte mich hinaus. Wortlos führte er mich nach links auf einen dämmrigen Gang, der sichscheinbar endlos in beide Richtungen erstreckte. Welche Richtung müssten wir nehmen, falls ich Tristan befreien konnte? Auf dem Hinweg waren mir die Gänge wie ein Labyrinth vorgekommen.
    Wir würden es schon herausfinden, wenn es so weit war. Falls es irgendwann so weit war. Erst mal würde ich tun, was ich schon seit Monaten hätte tun sollen: Ich würde die Regeln befolgen.
    Nach wenigen Schritten blieb der Wächter vor einer Metalltür auf der linken Seite stehen. Er holte einen Schlüsselring an einer Kette unter seiner Jacke vor, schloss die Tür auf und ging durch.
    Ich folgte ihm in den Verhörraum. Unvermittelt sah ich Tristan an, der immer noch ohnmächtig war. Ein Teil von mir wollte sofort zu ihm laufen. Der andere Teil war von den Gefühlen abgelenkt, die aus dem Nebenraum drangen, aus dem wir gekommen waren. Auf dieser Seite sah das Fenster wie ein Spiegel aus. Ich konnte meine Richter, das Publikum auf der anderen Seite, nicht sehen. Aber ihre Wut, ihre Angst, Sorge und Neugier verrieten mir ziemlich genau, wo jeder Einzelne von ihnen stand.
    Weniger als eine Sekunde lang bewegten sie sich. Danach hatten sich die Ratsmitglieder vor dem Fenster zu einem engen Halbkreis aufgebaut, nur wenige Meter von mir entfernt. Wahrscheinlich wollten sie eine gute Sicht haben, wenn ich bei ihrer Prüfung versagte.
    Der Wächter sah gelangweilt aus, gerade so als wollte er sagen, dass das hier nicht persönlich gemeint war. Was eine Lüge war. Es war eindeutig persönlich gemeint. Und es war allein meine Schuld.
    Er griff in die Innentasche seiner Jacke und holte zwei Gegenstände heraus – eine Spritze und ein Skalpell. Ihre durchsichtigen Plastikschutzhüllen schnackten laut, als er sie abzog. Im kalten Licht der Neonröhre blitzte die Nadel auf, und der Inhalt der Spritze schimmerte gelblich.
    Ich schluckte schwer. Mein Keuchen war in der Stille des kalten, betonierten Raums unüberhörbar.
    Als der Wächter näher kam, schrie alles in mir danach zu kämpfen, und ich spannte die Oberschenkel an. Der Wächter sah mich misstrauisch an. Er wusste, dass ich verzweifelt war. Aber das machte mich nicht leichtsinnig. Der Mann war ein Vampir unddazu kräftig gebaut. Unter seinem Anzug, der ihm nicht so recht passte, hatte er den Körper eines Footballspielers. Und falls ich ihn trotzdem irgendwie abwehren könnte, würden die zuschauenden Richter eingreifen und mich aufhalten.
    Du musst einen klaren Kopf bewahren, Sav. Ich versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Nicht Gefühle, sondern Logik war jetzt gefragt.
    Also gut. Dieses Mal waren wir ihnen echt in die Falle gegangen. Aber wir waren nicht verloren. Noch nicht. Die Richter hatten versprochen, dass ich nur eine Prüfung bestehen müsste, dann würden sie Tristan freilassen.
    Einen unschuldigen Jungen, der nicht mal hier wäre, wenn ich mich nicht in ihn verliebt hätte. Wegen mir war er in Gefahr. Hätte ich doch nur mit ihm Schluss gemacht …
    Nein, jetzt war nicht die Zeit für Schuldgefühle. Ich musste mich auf die Prüfung konzentrieren, damit wir nach Hause gehen konnten.
    Nur eine einzige Prüfung musste ich bestehen.
    Eine Prüfung, der ich genetisch nicht gewachsen war.
    „Wofür ist das?“, fragte ich ruhig und deutete mit einem Nicken auf die Geräte, die der Wächter in den Händen hielt.
    „Für deine Prüfung.“ Er hatte so einen starken französischen Akzent, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Dann drückte er das Skalpell gegen Tristans Hals.
    Sollte ich auf das Versprechen des Rates vertrauen, dass sie Tristan nicht töten wollten? Ich untersuchte die Gefühle im Nebenraum, konnte aber keine Täuschungsabsichten erkennen.
    Ich betete, dass ich mich richtig entschied. Mit angehaltenem Atem trat ich zwei Schritte zurück, schloss die Augen und versuchte, meine wirren Gedanken zu beruhigen.
    Jetzt atmete Tristan schneller und flacher. Er wachte langsam auf. Ich sah ihn an. An seinem Hals, direkt unter dem Kiefer, quoll ein Blutstropfen hervor und rann über seine Haut. Metall klirrte auf dem Betonboden. Der Wächter hatte das Skalpell fallen lassen. Als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch, wie er rückwärts hinausging, eine
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