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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ohne erneut zu fragen.
    »Mein Kopf ...«, murmelte Roselynne und gab müde dem ständigen Zug nach, mit dem das Gewicht ihrer Mähne ihn nach hinten zog. Es war ihr nicht klar, dass sie damit die schlanke Säule ihres Halses in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit rückte. »Ihr kniet auf meinen Haaren, Seigneur!«
    »Himmel, wie dumm von mir, verzeiht!«
    Er verbot sich, wie ein kindischer Narr auf das Pulsieren der bläulich schimmernden Adern an dieser marmornen Säule zu starren, die den schönen Kopf trug. Beflissen hob er das Knie, auf das er sich die ganze Zeit gestützt hatte. »Könnt Ihr aus eigener Kraft aufstehen? Lasst Euch helfen. Vorsicht, nicht so hastig, sonst dreht sich die Welt vor Euren Augen und womöglich wird Euch übel.«
    Mit seiner ebenso beredten wie tatkräftigen Hilfe gelang es Roselynne, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Erst jetzt entdeckte sie den Rest der Reisegruppe, die sich um Pferde und Lasttiere scharte. Ein paar Bewaffnete, die für den nötigen Schutz auf den Landstraßen sorgten, und fünf Knechte, die sich um die Packesel kümmerten. Zahllose fest verschnürte Bündel, Kästen und Rollen erregten ihre Aufmerksamkeit.
    »Ihr seid auch ein Händler?«, fragte sie, verblüfft über diese Fülle der Gepäckstücke.
    »Da sei Gott davor!« Mit einer seltsam gespreizten Geste hob er die schlanken, edel geformten Hände, über deren feinem Leder mehrere Ringe auf den Handschuhen funkelten. »Ich pflege nie ohne die Grundausstattung meines persönlichen Haushalts zu verreisen, schönste Dame. Und natürlich sind auch ein paar Geschenke für Seine Majestät mit dabei, die ich ihm mit den besten Wünschen meines Herrn übergeben darf.«
    Ohne die Stütze seines Griffs kam es ihr mit einem Mal so vor, als fröre sie trotz der wärmenden Sonne. Aus der Distanz fiel ihr indes auf, dass er mit diesem Stern um die Wette strahlte, so prächtig schimmerten seine Kleider. Spitzen, Bänder, Stickereien und Juwelen blendeten das Auge geradezu. Er bot das vollendete Bild eines normannischen Höflings, der die englischen Barbaren mit der Eleganz von Sprache, Benehmen und Erscheinung in die Schranken verwies. Ihr kam es ein wenig übertrieben und verweichlicht vor.
    Der Mann, dessen Bild er ihr vorgaukelte, war ebenfalls elegant gewesen, aber nicht so prahlerisch und auffallend modisch. Er hatte sich mit der athletischen Selbstverständlichkeit eines jungen Kriegers bewegt, der keine affektierten Gesten nötig hatte. Nie und nimmer hätte er sich mit einer solchen Fülle von Juwelen und Spitzen behängt.
    Roselynne seufzte enttäuscht und sagte sich, dass ihr das eigene Erinnerungsvermögen einen Streich spielte. Sie verwechselte ihn. Die Panik, die Aufregung, der rasende Ritt und ihr Sturz hatten sie völlig durcheinander gebracht. Das hier war nie und nimmer Justin, der gut aussehende junge Graf von d'Amonceux, der sein Herz vor Jahren an ihre stolze große Schwester verloren hatte und von ihr abgewiesen worden war. Es lag nur an ihrem albernen Gespräch mit Margaret, dass sie sich ausgerechnet heute in diesen dummen Illusionen verlor.
    Der Justin, der das empfindsame Herz eines jungen Mädchens an der Schwelle zur Frau bezaubert hatte, war das Idealbild eines edlen Ritters gewesen. Stolz und mutig, freundlich und souverän, liebenswürdig und hilfsbereit, aber weder auf sein Äußeres bedacht noch von solch geschwätziger Gesprächigkeit.
    Der erstaunliche Seigneur von Luthais teilte mit Ausnahme einer überraschenden äußeren Ähnlichkeit wenige dieser noblen Eigenschaften. Immerhin bot er Roselynne besorgt an, einen Knecht vorauszuschicken, um eine Sänfte für sie aus der Stadt zu holen.
    »Nach einem so grässlichen Sturz könnt Ihr unmöglich wieder in den Sattel steigen, Mylady«, sagte er gestelzt. »Wir müssen dem Himmel danken, dass Ihr Euch nicht den schönen Hals gebrochen habt.«
    »Es ist nicht das erste Mal, dass ich vom Pferd gestürzt bin, Seigneur«, lehnte Roselynne diese Beförderungsmöglichkeit entrüstet ab. »Je eher man danach wieder in den Sattel steigt, umso schneller vergisst man die leidige Angelegenheit. Mondfleck wird mich sicher nach Hause tragen, macht Euch keine Sorgen. Ich bin Euch indes dankbar, wenn ich im Schutze Eurer Begleitung reiten darf.«
    Während sie sprach, suchte sie mit schmalen Augen verstohlen die Umgebung ab. Der Waldrand und die abgeernteten Felder zogen sich menschenleer bis zum Horizont hin. Dennoch bestand auch weiterhin die Gefahr,

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