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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN
Autoren: Unbekannter Autor
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kunstsinnigen Architekten und Steinmetzen zu verdanken hatte.
    Roselynne erschauerte unter den schweren Schlägen ihres Herzens, deren Echo in den Tiefen ihres Blicks aufglomm und den Mann, der sie hielt, in seinen Bann zog. Das Farbspiel dieser großen Mädchenaugen zwischen Flieder und Violett besaß eine Faszination, die ihn an etwas Fernes erinnerte, ohne dass er diese Erinnerung auf Anhieb einordnen konnte.
    »Ihr ...«, murmelte sie und begriff auf einer fernen Ebene ihres Bewusstseins endlich, weshalb sie all die Jahre gewartet hatte. Weshalb all ihre Wege, ihre Handlungen und Träume sie ausgerechnet zu dieser Stunde auf diesen Pfad, in diese Arme geführt hatten. Da war nichts zu leugnen, nichts hinzuzufügen, nichts zu ändern.
    Die stumme Botschaft ihres Blickes verwirrte den Ritter. Wer war diese Frau, dieses mädchenhafte Wesen zwischen Kind und Fee? Woher nahm er das untrügliche Gefühl, sie zu kennen, wo er doch ebenso gut wusste, dass noch nie eine so verwirrende Elfe mit nachtschwarzen Haaren und Veilchenaugen seinen Weg gekreuzt hatte?
    Eine viel zu vertrauensvolle Schönheit, die sich mit der Selbstverständlichkeit eines gezähmten kleinen Vogels an seinem Herzen niederließ und ihn jetzt mit der Glut eines unverhofften Sonnenstrahls anlächelte.
    Welch ein Lächeln! Bei Gott, wäre er noch immer der jugendliche Narr, der er einmal gewesen war, er hätte der Aufforderung nicht widerstehen können, die ihm dieses entzückende Wesen stumm erteilte. Nicht einmal der Schmutz und die strähnig zerzausten Haare konnten davon ablenken, dass sie das Auge eines Mannes aufs Höchste ergötzte.
    Die staunenden, großen Augen, die Alabasterhaut und die seidige Mähne luden ihn förmlich dazu ein, die verführerischen Einzelheiten der geschmeidigen Gestalt zu erkunden, die er da in seinen Armen hielt. Allein, die Zeiten, wo er sich für ein hübsches Mädchen zum Narren gemacht hatte, gehörten für immer der Vergangenheit an. Er hatte gelernt, vor dem Zauber auf der Hut zu sein, den Ladys ihrer Art auf Männer ausübten.
    »Loup de Luthais, zu Euren Diensten, edles Fräulein«, stellte er sich mit einem höflichen Lächeln vor, das nicht seine Augen erreichte. »Es war mir ein Vergnügen, Euer durchgehendes Pferd zu bändigen. Wie fühlt Ihr Euch? Habt Ihr Schmerzen? Dröhnt Euch der Kopf? Was ist geschehen? Was hat Euer Reittier so erschreckt?«
    Der unerwartete Name des Edelmannes verwirrte Roselynne ebenso sehr wie die anschließende Behauptung, Mondfleck sei durchgegangen. Schon der Gedanke war so absurd, dass sie lächeln musste. Die Pferde, die auf Hawkstone gezüchtet wurden, kannten keine solchen Kapriolen, und sie war eine hervorragende Reiterin. Allerdings hatte sie Mondfleck bei ihrer halsbrecherischen Flucht eine Geschwindigkeit abverlangt, die ihn bis an die Grenzen seiner Kraft gefordert haben musste.
    »Woher kommt Ihr? Wo sind Eure Begleiter?«, ging das Verhör weiter, während sie vergeblich versuchte, das, was sie sah, und jenes, was sie gehört hatte, zu vereinen.
    »Wie sagtet Ihr, ist Euer Name?«, fiel ihm Roselynne vorsichtig ins Wort. »Verzeiht, ich habe ihn nicht richtig verstanden.«
    »Ich bin der Seigneur von Luthais, schönste Dame, Vasall Seiner Gnaden des Herzogs von Anjou, auf dem Weg nach Winchester. Ich hoffe dort auf Seine Majestät den König zu treffen. Ich habe Botschaften meines Herrn für seinen Bruder.«
    »Das tut Ihr«, murmelte Roselynne bestürzt und biss sich auf die Unterlippe, um alle weiteren Worte zurückzuhalten, die sich über ihre Zunge drängten.
    War es möglich, dass es dieses Gesicht zweimal gab? Dass sie ihre fast vergessenen Träume inzwischen mit der Wirklichkeit verwechselte und ihr die Erinnerung einen närrischen Streich spielte?
    »Der König ist zur Jagd geritten«, versuchte sie sich fürs Erste nur an die Tatsachen zu halten. »Bei Sonnenuntergang wird er in die Burg zurückkehren.«
    »Ah, ich begreife.« Ihr Retter hatte keine Mühe, sich seine Geschichte zusammenzureimen. »Ihr wart Teil dieser königlichen Jagdgesellschaft, und dieses dumme Pferd ist mit Euch durchgegangen, nicht wahr?«
    Roselynne schüttelte stumm den Kopf, eine Bewegung, die ihr freilich zu Bewusstsein brachte, dass sie noch immer in den Armen dieses Edelmannes ruhte. Eine Bewegung, die ihr auch einen leisen Seufzer entlockte, weil sie ihr das Gefühl vermittelte, dass ihr armer Kopf im nächsten Moment zerplatzen wollte.
    »Ihr habt Schmerzen«, stellte er fest,
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