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Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre
Autoren: Michael Frey Dodillet
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meinem hochherrschaftlichen Einfluss ruhig. Links neben ihr eine fremde Hündin, rechts ein Kätzchen. Gegenüber mümmeln Hase und Meerschwein. Ein Bild des Friedens. Sämtliche Feinde meiner Hündin sind auf zwanzig Quadratmetern versammelt. Und es geht gut.
    Luna zickt kein bisschen.
    Mit Scheff oder Nicht-Scheff hat diese himmlische Ruhe aber gar nichts zu tun. Es ist nicht meine souveräne Ausstrahlung, es liegt an der olfaktorischen Depri-Stimmung, die in einer Tierarztpraxis durch die Räume wabert. Wir Menschen können es nicht riechen. Es riecht nach Angst. Die Räume sind voller Gerüche von Tieren, die Angst gehabt haben. Das wirkt sich zähmend auf alle Kandidaten aus, selbst auf die, die gerne über die Stränge schlagen.
    Keiner zuckt, keiner muckt. Paradies.
    Das bestätigt mir auch der glatzköpfige Herr schräg gegenüber, der akut unter zwei schwer pubertierenden Bearded-Collie-Rüden leidet. Er erzählt mir von dem Wochenende, als das Hildener Tierheim einen Tag der offenen Tür veranstaltete. Er war ohne seine Hunde dort, kam nach Hause und roch offensichtlich dermaßen bedrohlich nach Gefängnis, dass die aufmüpfigen Rabauken auf der Stelle zu Schmusebacken wurden.
    Wer motzt, kommt ins Heim? Man kann nie wissen.
    So manches Mal habe ich mir schon gewünscht, diesen
Duft gäbe es zu kaufen. »Guten Tag, ich hätte gern Eau de Peur von Veterinaire.«
    »Sehr gern. Das kleine Body Spray oder lieber den Zweihundert-Milliliter-Flakon?«
    »Egal, Hauptsache mit Zerstäuber.«
    Draußen im Wald wird nicht lange gefackelt. Lieblingsfeindin kommt, Luna muckt, pffft, ein Stößchen Duft in die Luft und beide sind friedlich.

    Eau de Peur gibt es aber nicht, und überhaupt, maulen die Gutmenschen, ist es fies und gemein, seinen Hund unter Stress zu setzen. Das finde ich auch und wünschte mir, mein Hund dächte ebenso: Es ist fies und gemein, meinen Menschen unter Stress zu setzen, deshalb bleibe ich jetzt brav wie eine Grützwurst unter dem Kaffeehaustisch liegen, anstatt mich auf den Chihuahua nebenan zu stürzen, dabei mit dem Kopf an die Tischplatte zu bumsen und zwei Leuten die Hose mit Milchkaffee zu versauen.
    Die Chihuahua-Sauerei ist natürlich kein Einzelfall, sondern das Vorkommnis mit der Seriennummer 102.587. Ich brodele innerlich vor Wut. Jetzt ist es so weit, denke ich, nur noch ein einziges Mal so einen Bockmist und du kommst ins Heim.
    Und was soll ich sagen? Als hätte Luna gerochen, dass es fünf vor zwölf ist, kommt kein Bockmist mehr. Alles klappt wie am Schnürchen. Wir kommen bestens miteinander aus, die Unschuld vom Lande und ich, der ich im Lauf der nächsten Tage zusehends milder werde. Milder und milder und milder, bis ich reif bin für … Vorfall Nummer 102.588.
    Die Fünf-vor-zwölf-Laune hat viel Gutes. Der Scheff
überzeugt mit klarer Ausstrahlung und blitzsauberer innerer Haltung. Der Hund weiß genau, woran er ist. Sobald allerdings die Wut verraucht ist und der Mensch milder wird, hält die Inkonsequenz wieder Einzug. Verhalten und Körpersprache werden wischiwaschi. Sie lassen dem Hund viel Spielraum für Interpretationen. Manche Hunde wissen damit nicht umzugehen und bleiben brav, andere nutzen das gnadenlos aus.
    Das Blöde an der Fünf-vor-zwölf-Laune ist nur, dass ich mich ja nicht mit einem Hund umgebe, um pausenlos auf ihn sauer zu sein. Da hat unser Scheff-Krause ausnahmsweise mal Recht. Ich muss mir freundlich, aber bestimmt eine Position erarbeiten, die meiner Krawallmaus guttut. Wenn wir unsere Hunde die Dinge selbst entscheiden lassen, setzen wir sie echtem Stress aus. In der Tundra können sie das, zumindest die Wildgebliebenen unter ihnen, aber nicht in unserer Welt, wo Autos hupen, Telefone bimmeln, Waschmaschinen rumpeln, Bratpfannen zischen, Türglocken klingeln, S-Bahnen tuten.
    Zudem sind Hunde hierarchisch gestrickt. Keinem von ihnen käme es je in den Sinn, in aller Breite und Tiefe auszudiskutieren, welchen Weg man als Nächstes nimmt oder ob zum Frühstück Hase oder Reh gehetzt wird. Sie sind dankbar über ein klares Mir nach und irritiert über alles, was sich nach demokratischer Gesprächsführung anhört.
    »Gehen wir da lang, Spätzelchen?«, hörte ich unlängst eine Rhodesian-Ridgeback-Besitzerin säuseln. »Nein? Lieber da? Na gut. Willst du noch ein Leckerchen? Nicht das? Das andere? Jaha? Erst kommst du aber mal her, nun komm doch mal her, kommst du jetzt her?! Ja, so was, also du kommst jetzt sofort her. Nein? Dann komm halt ich. Jetzt
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