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Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann
Autoren: Sven Regner
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Beinen."
    Herr Lehmann nahm noch einen Schluck, der Hund tat gar nichts. „Bin selber nicht sehr schnell", sagte er, bloß um irgend etwas zu sagen. „Wie heißt du eigentlich?"
    Er stellte die Flasche neben sich, zog die Beine an den Käorper und legte die Arme darum. Der Hund blinzelte ihn friedlich an.
    Vielleicht sollten wir mal feststellen, wie du heißt" , sagte Herr Lehmann, der das fär eine gute Idee hielt. Ich muß bloß wissen, wie er heißt, dachte er, dann hoärt er mit dem Scheiß auf, dann wird er friedlich, mit seinem Namen ist er vertraut, er hat ja ein Halsband, also hat er ein Herrchen, also hat er einen Namen, ich brauche bloß seinen Namen zu sagen, dann fuählt er sich heimisch, dann ist Autoritat da, dachte Herr Lehmann. „Bello", schlug er vor. Der Hund riihrte sich nicht. „Hasso?" Nichts.
    Dann hoärte Herr Lehmann Schritte. Sie kamen von hinten. Er blickte sich um und sah eine Frau naherkommen, eine dicke Frau mit weiten Kleidern und einem Kopftuch. Eine Frau, dachte Herr Lehmann, vielleicht kann sie mich abloäsen. Aber obwohl er sich jetzt, wo ihn jemand sah, etwas komisch dabei vorkam, wie er auf dem Asphalt saß, mit einer Flasche Whisky neben sich, stand er nicht auf, er war viel zu muäde und wollte den Hund nicht reizen. Er verrenkte sich den Hals und sah der Frau entgegen, die, wohl weil sie ihn und den Hund erblickt hatte, ihren Schritt beschleunigte und ganz auf die andere Seite des Weges wechselte.
    „Entschuldigen Sie", begann Herr Lehmann, als sie auf seiner Hohe war, aber die Frau sah nicht zu ihm hin, sie blickte starr nach vorne und legte noch einen Zahn zu, als er das Wort an sie richtete. Der Hund sah zur anderen Seite und ließ sich nichts anmerken. „Warten Sie doch mal", rief Herr Lehmann verzweifelt, ich habe hier naämlich ein Problem, das ist naämlich . . . " - die Frau, so dick sie auch war, fing an zu rennen und war verschwunden, bevor er den Satz zu Ende bringen konnte. Der Hund knurrte zufrieden.
    „Scheißbläde Kuh", sagte Herr Lehmann und wandte sich dann wieder an den Hund. „Harro?" Auch dieser Name bewirkte nichts. „Bello, Rudiger, Fiffi - nein, wie ein Fiffi siehst du eigentlich nicht aus - Kuddel, Saftsack -wie gehen denn jetzt diese Hundenamen noch mal - Otsche?" Otsche, so hatte der Hund einer lange verstorbenen Großtante von ihm geheißen, es war ein kleiner Langhaardackel gewesen, den am Ende ein Lieferwagen uäberfahren hatte, Herr Lehmann hatte ihn damals, als er noch ein Kind war, aus tiefstem Herzen gehaßt. „Wastl, Hansi, Lassie, Wauwau, Watschel, Spinnebein ... " Der Hund zeigte kein Interesse. „Watzmann, Bootsmann, Boxi, Boskop ... "
    Herr Lehmann verlor die Lust an diesem Spiel. Das ist ja alles Ünsinn, dachte er, ich bin ja betrunken. Er nahm noch einen Schluck von dem Whisky und schuättelte sich.
    Du mußt wissen" , sagte er dann, daß ich Hunde schon immer gehaßt habe. Schon als kleines Kind. Ünd das ist lange her. Hunde gehoren nicht in die Stadt, ich hab immer Angst gehabt vor Hunden. Hallo! Hallo, Polizei!" rief er schwach, als er einen Polizeiwagen den Platz entlangfahren sah. Er hob eine Hand und winkte, aber der Wagen fuhr vorbei, ohne daß man ihn bemerkte.
    „Da kannst du aber froh sein", belehrte er den Hund, „die hatten dich erschossen, aber ruckzuck. Noch denkst du, daß du im Vorteil bist, aber das kannst du vergessen. Strategisch bist du im Nachteil. Der Mensch ist dem Tier uäberlegen. Wenn du ein Wolf waärst und ich irgendein Bauerndepp, der durch den Wald latscht, dann hättest du vielleicht eine Chance. Aber wir sind hier in der Stadt. Es werden Leute kommen und mir helfen. Ünd dich wird man einsperren. Außerdem ist der Mensch im Gegensatz zum Tier in der Lage, Werkzeuge zu benutzen, Werkzeuge, du Scheißtyp, denk mal druäber nach. Das ist der entscheidende Ünterschied, Werkzeuge, damit fing alles an. Zum Beispiel diese Flasche hier!" Er hob die Flasche, und der Hund knurrte. „Ich kännte dir diese Flasche auf den Kopf hauen, da sähst du aber alt aus. Das ist zwälf Jahre alter Whisky. Irischer Whisky. Kostet irn Einkauf äber 40 Mark oder so, was weiß ich denn, 2cl kosten bei Erwin sechs Mark, das mußt du dir mal reintun, obwohl, so genau messen wir das auch nicht ab." Wenn man Schnaps trinkt, dachte Herr Lehmann, dann redet man immer zuviel. Und zuviel Unsinn. Und mit Hunden, dachte er, das ist das Schlimmste von allem.
    Er goß, nur um einmal etwas anderes zu tun, die Verschlußkappe voll
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