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Herr der Welt

Herr der Welt

Titel: Herr der Welt
Autoren: Jules Verne
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und
    es wurde unheimlich still in der pechschwarzen Nacht.
    Plötzlich fühlte ich mich an den Armen ergriffen. Tur-
    ner zerrte mich nach der Flugmaschine hin. Jeder Wider-
    stand wäre vergeblich gewesen, und am Ende war ja alles

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    besser, als ohne Hilfsmittel und ohne Nahrung in diesem
    Felsenkrater zurückgelassen zu werden, aus dem ich mich
    auf keine Weise retten konnte.
    Ich hatte kaum das Verdeck betreten, als auch Turner he-
    raufsprang, während sein Gefährte wieder auf dem Vorder-
    teil Platz nahm. Turner begab sich sogleich in den Maschi-
    nenraum, der von elektrischen Lampen, doch in der Weise
    erhellt war, daß kein Lichtschimmer nach außen dringen
    konnte.
    Robur stand auf dem Heck, wo er den Regulator bequem
    bei der Hand hatte und die Geschwindigkeit und die Rich-
    tung der Bewegung zu regeln pflegte.
    Ich selbst hatte mich unverzüglich in meine Kabine be-
    geben müssen, deren Lukendeckel sich über mir schloß.
    Auch diese Nacht – wie in der der Abfahrt vom Niagara-
    fall – sollte es mir nicht erlaubt sein, die Manöver der ›Ter-
    ror‹ zu beobachten.
    Konnte ich aber auch nichts von dem sehen, was an Bord
    vorging, so konnte ich doch das Geräusch von der Maschine
    hören. Ich hatte eine deutliche Empfindung davon, daß der
    sich langsam erhebende Apparat jede Verbindung mit dem
    Erdboden verlor. Zuerst schwankte er ein wenig auf und ab,
    dann nahmen die unteren Turbinen eine ungeheure Ge-
    schwindigkeit an, und die mächtigen Flügel peitschten die
    Luft in regelmäßigen Schlägen.
    Die ›Terror‹ hatte also – wahrscheinlich auf Nimmerwie-
    derkehr – den Great Eyrie verlassen und war ins Luftmeer
    »ausgelaufen«, wie man von einem Schiff sagt, wenn es in
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    See gegangen ist. Der Aviator (das Luftschiff mit Vogelflug)
    schwebte über der Doppelkette der Alleghenies und hielt
    sich voraussichtlich in großer Höhe, bis er das orographi-
    sche Netz dieses Gebietsteils hinter sich hatte.
    Doch in welche Richtung steuerte unser Luftfahrzeug?
    Sollte es über die Ebenen North Carolinas hinfliegen und
    sich dem Atlantik zuwenden? . . . Oder steuerte es im Ge-
    genteil nach Westen, um über den Pazifik hinzuschweben?
    . . . Schlug es etwa einen Kurs nach Süden, nach dem Golf
    von Mexiko ein? . . . Woran würde ich, wenn es wieder Tag
    wurde, zu erkennen vermögen, über welches Meer es sich
    hinbewegte, wenn sich dann Himmel und Wasser nur noch
    an einer Grenzlinie berührten?
    So vergingen mehrere Stunden, doch wie lang, wie
    lang erschienen sie mir! . . . Ich versuchte gar nicht, sie im
    Schlummer zu vergessen. Eine Menge, meist unzusammen-
    hängender Gedanken wirbelten mir durch den Kopf. Mir
    war, als würde ich davon hingeschleppt durch alles Unmög-
    liche, so wie ich jetzt tatsächlich auf einem fliegenden Un-
    geheuer durch die Luft getragen wurde. Bis wohin würde
    dieses bei seiner erstaunlichen Geschwindigkeit wohl noch
    im Lauf der Nacht gelangen? . . . Ich erinnerte mich dabei
    an die fast unglaublichen Luftreise des ›Albatros‹, über die
    das Weldon-Institut nach den Mitteilungen Uncle Prudents
    und Phil Evans’ einen Bericht veröffentlicht hatte. Was Ro-
    bur der Sieger mit seinem früheren Luftschiff hatte ausfüh-
    ren können, das mußte ihm doch mit dem neuen, den Flug
    des Vogels nachahmenden Apparat erst recht, ja unter noch
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    günstigeren Bedingungen gelingen, da er jetzt sozusagen
    Herr der Erde, der Meere und der Lüfte war.
    Endlich drang der erste Tagesschein in meine Kabine.
    Noch wußte ich nicht, ob es mir vergönnt sein würde, sie
    zu verlassen und meinen Platz auf dem Verdeck wieder ein-
    zunehmen, wie mir das bei der Fahrt über den Eriesee ver-
    gönnt gewesen war.
    Auf einen Druck gab der Lukendeckel nach und ich rich-
    tete mich vollends auf.
    Rings um die ›Terror‹ dehnte sich ein Meereshorizont
    aus. In der Höhe von 1000 bis 1200 Fuß flogen wir über ei-
    nen Ozean hin.
    Robur sah ich zunächst nicht, er mochte sich wohl im
    Maschinenraum aufhalten.
    Turner stand am Steuer und sein Genosse am Vorderteil
    des Decks.
    Sobald ich mich auf diesem befand, sah ich, was ich
    während der Nachtfahrt zwischen dem Niagarafall und
    dem Great Eyrie nicht hatte sehen können, wie die mächti-
    gen Flügel arbeiteten, die sich an Back- und an Steuerbord
    auf und ab bewegten, während sich die Turbinen unter den
    Seitenwänden des Fahrzeugs gleichsam in die Luft hinein-
    bohrten oder -schraubten.
    Aus
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