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Herr der Schlangeninsel

Herr der Schlangeninsel

Titel: Herr der Schlangeninsel
Autoren: Stefan Wolf
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auf dem
südlichen Rand der Klippe. Bäuchlings preßten sie sich auf den heißen, nackten
Fels, was ohne T-Shirt nicht gegangen wäre — jedenfalls nur mit Brandblasen.
Der Fels war so nackt, daß sich nicht mal ein Sandfloh verstecken konnte —
geschweige denn eine Levanteotter. Während ihrer knapp einstündigen Suche hatte
die TKKG-Bande noch keine gesehen.
    So, dachte Tim. Den Jade-Tiger krallen
wir uns. Und zwar, ohne dem Dieb 300 000 DM ins gierige Maul zu stecken. Das
Angebot ist ja nur für den Notfall gedacht. Wo sind wir denn hier — Diebstahl
auch noch zu belohnen! Und wenn Nick frech wird, dann schallere ich ihm eine,
daß er tausend Inseln auf einmal sieht.
    Nachdem der TKKG-Häuptling diesen
weisen Entschluß gefaßt hatte, wollte er zum Angriff blasen. Das hätte
bedeutet: In weitem Bogen zum Ufer schleichen und das Lager von dort her
stürmen, wo das Gelände flach war.
    In diesem Moment geschah die
Katastrophe.
    Vom höchsten Punkt der Klippe — also
noch oberhalb der TKKG-Bande und nicht einsehbar für sie — flog ein Felsbrocken
durch das glastige Licht im hohen Bogen herab. Etwa kopfgroß.
    Jede Warnung wäre zu spät gekommen.
    Außerdem bemerkte Tim den Brocken erst,
als er das Zeltdach durchschlug, Nick um Handbreite verfehlte, aber — den
Jade-Tiger traf.
    Ein Volltreffer!
    15 oder 20 Kilo Gestein schlugen dem
Meisterdieb seine Beute aus der Hand und zertrümmerten das Kunstwerk in
Bruchstücke.
    Die prasselten zu Boden, dem Trio vor
die Füße. Der Felsbrocken schlug Funken aus dem Boden und blieb liegen.
    Ein mehrstimmiger Schrei gellte gen
Himmel. Besonders Antonia, die sozusagen die zweite Stimme schrie, war nicht zu
überhören.
    Aber damit hatte der Schreck noch kein
Ende.
    Oben auf der Klippe, von wo der Fels
gekommen war, sprang ein braungebrannter Typ umher, sammelte an Steinen, was er
kriegen konnte, und schleuderte sie hinab.
    „Verschwindet!“ brüllte er. „Weg hier!
Das ist meine Insel!“ Er brüllte auf deutsch, eindeutig in fränkischer Mundart.
„Der Verrückte!“ sagte Tim. „Er rastet aus. Ein Glück, daß er nicht werfen
kann.“
    Das stimmte. Der Herr der
Schlangeninsel traf niemanden. Allerdings hatten die lebenden Zielscheiben
jetzt ihren Schrecken überwunden. Demetrios, Antonia, Nick und Edgar flohen
Hals über Kopf zum Ufer. Bis dorthin reichte der Steinhagel nicht.
    Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete
Tim den Verrückten. Er war mittelgroß, dürr wie Stacheldraht, hatte braunes
Langhaar und einen ebensolchen Vollbart. Er trug abgeschnittene Jeans als
Shorts und wadenhohe Ringerstiefel. Keine Waffen. Jetzt hielt er inne, machte
kehrt und war verschwunden.

    „Schade um den Jade-Tiger“, sagte Gaby.
„Der ist in tausend Stücke zerbrochen.“
    „Vielleicht könnte man ihn mit
Alles-Kleber wieder zusammensetzen“, meinte Klößchen. „Aber der Kunstkenner
sieht das. An der Wertminderung kommt die Sippe Li nicht vorbei.“
    „Ich schnappe mir den Verrückten“,
sagte Tim. „Ihr könnt euch schon mal mit den anderen bekannt machen.“
    Er ließ sein Paddel zurück, nahm nur
Hai-Messer und Brustbeutel mit. Gewandt und schnell kletterte er zum höchsten
Punkt der Klippe hinauf.
    Oben angekommen, konnte er den größten
Teil der Schlangeninsel überblicken — und er sah auch den Verrückten.

22. Der Biß der Levanteotter
     
    Vier meterhohe Felsbrocken bildeten den
Sockel. Auf ihnen lagen Bretter, reihten sich aneinander zu einem luftigen
Boden. Das war die richtige Unterlage für das Zelt, ein robustes
Expeditions-Zelt für alle Jahreszeiten, schilfgrün, mit Tunneleingang — der
nach Norden gewendet war — und regengeschütztem Koch- und Stauraum.
    Das also war der Palast des
Inselkönigs.
    Tim sah, wie der Verrückte in seine
Behausung kroch.
    Fünf Minuten später hatte sich der
TKKG-Häuptling über den zerklüfteten Boden herangearbeitet. Hatte der Typ
Schußwaffen? Schon eine Harpune konnte gefährlich werden.
    Lautlos umrundete Tim das Zelt, hörte
wütendes Gemurmel durch das Polyamidgewebe mit PU-Beschichtung und — lugte in
den Eingang.
    Nur um eine Armlänge getrennt sahen sie
sich in die Augen.
    Der Verrückte hockte im Schneidersitz,
kaute an einem Daumennagel und hörte abrupt auf mit dem Fluchen. Aus der Nähe sah
der Mann jung aus — etwa 30. Er hatte blaue Augen. Eine kecke Nase überragte
das Bartgestrüpp.
    „Hallo!“ sagte Tim. „Muß ich Sie k.o.
schlagen oder können wir reden?“
    „Was willst du?“
    „Drüben
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