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Hercule Poirot schläft nie

Hercule Poirot schläft nie

Titel: Hercule Poirot schläft nie
Autoren: Agatha Christie
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sie sie fest – aber in Wirklichkeit hält sie sie nicht. Noch etwas?«
    »Eine ganze Menge. Sie hat die Pistole in der rechten Hand. Nun sehen Sie sich mal die Wunde an. Die Pistole wurde dicht am Kopf direkt oberhalb des linken Ohres abgefeuert – des linken Ohrs, wohlgemerkt.«
    »Hm. Damit scheint die Sache klar. Sie hätte die Pistole nicht mit der rechten Hand an diese Stelle halten und abdrücken können?«
    »Völlig unmöglich, möchte ich meinen. Man könnte mit dem Arm vielleicht so weit herumfassen, aber abdrücken – das halte ich für nahezu ausgeschlossen.«
    »Soweit läge der Fall also ziemlich klar. Jemand anders hat sie erschossen und einen Selbstmord vortäuschen wollen. Wie steht’s aber mit der verschlossenen Tür und dem Fenster?«
    Hier mischte sich Inspektor Jameson ins Gespräch.
    »Das Fenster war zu und verriegelt, Sir, aber obwohl die Tür verschlossen war, konnten wir den Schlüssel nicht finden.«
    Japp nickte. »Ja, das war Pech. Der Täter hat die Tür hinter sich abgeschlossen, als er ging, und gehofft, dass das Fehlen des Schlüssels nicht auffallen würde.«
    »C’est bête, ça!«, murmelte Poirot.
    »Ach, kommen Sie, Poirot, alter Junge, Sie dürfen nicht alle andern Leute mit dem Maßstab Ihres eigenen leuc h tenden Intellekts messen. Im Übrigen ist genau das eins von den Details, die gern übersehen werden. Die Tür ist abgeschlossen. Man bricht sie auf. Die Frau liegt tot da – Pistole in der Hand – klarer Fall von Selbstmord – hat sich dazu eingeschlossen. Da sucht man nicht lange nach Schlüsseln. Die Tatsache, dass Miss Plenderleith sofort die Polizei rief, war ein glücklicher Zufall. Sie hätte ebe n so gut auch einen Chauffeur von nebenan heraufrufen können, um die Tür aufzubrechen – und dann wäre die Schlüsselfrage völlig übersehen worden.«
    »Ja, das ist sicherlich richtig«, stimmte Poirot zu. »Es wäre bei vielen Menschen die natürliche Reaktion gew e sen. Die Polizei – an sie wendet man sich meist zuletzt, nicht wahr?«
    Er starrte noch immer auf die Leiche.
    »Fällt Ihnen irgendetwas Besonderes auf?«, fragte Japp.
    Die Frage klang beiläufig, doch in Japps Augen war ein gespannter Ausdruck getreten.
    Hercule Poirot schüttelte langsam den Kopf.
    »Ich habe bloß ihre Armbanduhr betrachtet.«
    Er bückte sich und berührte die Uhr leicht mit der Fi n gerspitze. Es war eine zierliche, brillantenbesetzte D a menuhr mit schwarzem Moiréband, die die Tote um das Gelenk der Hand trug, in der sie die Pistole hielt.
    »Ein sehr hübsches Stück«, stellte Japp fest. »Muss eine Stange Geld gekostet haben.« Er blickte Poirot von der Seite her forschend an. »Ob uns das vielleicht weite r hilft?«
    »Es wäre möglich – ja.«
    Poirot wanderte wie beiläufig zum Schreibtisch. Es war ein Klappsekretär mit einer Schreibplatte zum Herunte r lassen. Diese war kunstvoll entsprechend der im Zimmer vorherrschenden Farbskala dekoriert.
    In der Mitte befand sich ein ziemlich klobiges silbernes Tintenfass und davor eine hübsche grüne Lackschrei b mappe. Links davon stand eine längliche Schale aus gr ü nem Glas, die einen silbernen Federhalter, ein Stück gr ü nen Siegellack, einen Bleistift und zwei Briefmarken en t hielt. Auf der rechten Seite der Schreibmappe stand ein verstellbarer Kalender, der Wochentag, Datum und M o nat anzeigte. Außerdem ein kleines, mit Schrotkugeln gefülltes Glasgefäß, in dem eine leuchtend grüne Schrei b feder steckte. Poirot schien sich für die Feder zu intere s sieren. Er nahm sie heraus und betrachtete sie genau, aber sie wies keine Tintenspuren auf. Offensichtlich ein Dek o rationsstück, nichts weiter. Zum Gebrauch diente der silberne Federhalter mit der tintenfleckigen Spitze. Po i rots Blick wanderte zum Kalender.
    »Dienstag, der fünfte November«, las Japp laut vor. »Gestern. Das stimmt soweit alles.« Er drehte sich zu Brett um. »Wie lang ist sie etwa schon tot?«
    »Sie starb gestern Abend um elf Uhr dreiunddreißig«, erwiderte der Arzt prompt. Als er Japps erstauntes G e sicht sah, grinste er. »Bitte um Entschuldigung, lieber Japp. Konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Allwissenden zu spielen! Nein, im Ernst, ich schätze die Todeszeit auf ungefähr elf Uhr – mit einer Stunde Spie l raum nach beiden Seiten.«
    »Ach, und ich hatte schon gedacht, die Armbanduhr sei stehen geblieben oder so was Ähnliches.«
    »Die ist auch stehen geblieben – aber um Viertel nach vier.«
    »Und dass sie um
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