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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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gerade
ein erotisches Schauermärchen aus und da kann der Himmel nicht finster genug sein.
Und zweitens muss sie bei dem Wetter nicht raus auf die Straße. Es hat schon etwas
für sich, wenn man Autorin ist und zu Hause arbeiten kann. Andererseits beschwert
sie sich manchmal über ihre Einsamkeit.
    »Du hast
es gut, du hockst nicht den ganzen Tag alleine herum«, mault sie dann.
    »Ähm …«
    »Du glaubst
gar nicht, was mir gestern wieder Aufregendes passiert ist«, fügt sie theatralisch
hinzu.
    »Na also«,
antworte ich.
    »Auf dem
Papiiier, Rosa. Nicht in echt.«
    »Ach so.«
    Was soll
ich sagen? Natürlich übertreibt sie maßlos. Schließlich ist ihr erster Roman direkt
ein Bestseller geworden. Sie hat ihre Jugendliebe geheiratet und verbringt ihre
Zeit, wenn sie nicht schreibt, auf coolen Partys und Empfängen. Aber ich verstehe,
was sie meint. Ihre eigentliche Arbeit findet nun mal allein am Schreibtisch statt.
    Mag sein,
dass ich es da ein wenig besser habe. Zumindest was meine Kolleginnen betrifft.
Die Kundinnen können manchmal ganz schön anstrengend sein.
    Als ich
tropfnass in die Werkstatt komme und mich schüttele wie ein nasser Hund, empfangen
mich Margret und Jola mit fröhlichen Gesichtern. Sie nehmen mir den Schirm ab, und
wir setzen uns, nachdem ich mir trockene Strümpfe und Arbeitslatschen angezogen
habe, an einen hübsch gedeckten Frühstückstisch, um zu plaudern.
    »Zum Glück
sind Deckel auf den Bechern«, sagt Margret und nimmt wohlig seufzend einen großen
Schluck Latte macchiato, während draußen der Regen auf die Markise des Lottoladens
prasselt. »Sonst wäre der Kaffee ziemlich dünn heute.«
    Jens und Oskar, die beiden Schraders-Wirte von gegenüber,
bringen uns jeden Morgen frisch gebrühten Kaffee in die Werkstatt. Bevor wir uns
an die Nähmaschinen setzen und die ersten Kunden zu uns in den Laden kommen, gönnen
wir uns eine gemütliche halbe Stunde mit einem guten Frühstück. Stimmt schon: Den
ganzen Tag allein zu Hause am Computer herumsitzen wäre nichts für mich.
    »Soll nächste Tage so bleiben mit die scheiße Wetter«, sagt
Jola kopfschüttelnd und zaubert zum Trost drei polnische Schokoriegel aus ihrer
Handtasche.
    Seit sie hier arbeitet, kommen viele ihrer Landsleute zu
uns in den Laden. Irgendwie ist es dadurch noch ein wenig gemütlicher geworden.
Eine von Jolas Freundinnen bringt uns regelmäßig frische Eier von ihrem Hof mit,
die nächste spendiert Trockenfrüchte mit Schokoüberzug oder köstlich klebrige Karamellbonbons,
die in einem Kloster hergestellt wurden. Lecker! Ich war bisher nie in Polen. Wenn
ich es mir vorstelle, dann sehe ich grüne Wiesen mit glücklichen Hühnern vor mir
und lächelnde Mönche, die in großen kupfernen Kesseln Bonbons kochen. Ein bisschen
heile Welt eben.
    Margret sagt, wir haben frischen Wind in ihre Werkstatt gebracht.
Sie sieht neuerdings richtig zufrieden aus und hustet viel weniger als vor ein paar
Monaten. Obwohl ich glaube, das liegt weniger an uns, als daran, dass sie neuerdings
kaum noch raucht. Was wiederum doch an unserer Anwesenheit liegen kann.
    Manchmal wird es richtig eng im Laden, denn es kommt immer
wieder vor, dass sich eine unserer Kundinnen bei uns festsetzt, um ein bisschen
zu quatschen und uns beim Nähen über die Schultern zu gucken.
    »Hattest
du ein schönes Wochenende?«, fragt mich Margret.
    Ich nicke.
»Basti war am Samstag da.«
    Sie lächelt.
»Der hat vorhin angerufen«, erwidert sie. »Du hast wohl dein Handy mal wieder vergessen.
Ich soll dir ausrichten, dass er spontan ein paar Tage weg muss. Er meldet sich
heute Abend bei dir.«
    Ich schlucke,
denn ich hatte eigentlich gehofft, dass wir uns diese Woche wenigstens einmal sehen
können. Nun muss ich wieder bis zum Wochenende warten.
    »Alles in
Ordnung bei dir?«
    »Klar«,
sage ich und merke selbst, dass es nicht ganz so munter klingt, wie es soll.
    Ich bin
wirklich kein besonderer Klammeraffe, aber ein bisschen mehr Zeit würde ich mit
Basti schon gerne verbringen. Stattdessen verschwindet er in jeder freien Minute
aus Berlin.
    Zum Glück
habe ich in den nächsten Tagen Besseres zu tun, als auf ihn zu warten, wenn ich
heimkomme. Tante Augustas Tagebuch wartet auf mich. Mehr Zeit dafür. Mir soll es
recht sein.
    Bevor ich
grüblerisch werden kann, kommt Frau Hofmann, eine neue Kundin, in den Laden und
lenkt mich ab. Sie hat ein Kleid bei mir bestellt. Heute ist die Anprobe. Ich bin
ein wenig nervös. Ganz habe ich mich bisher nicht von dem Schock
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