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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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hätte sie einen Stock verschluckt und davon Bauchschmerzen bekommen.
Auf dem Foto ist sie tausendmal hübscher. Und jünger! Und ihre Augen! Sie schauen
so fröhlich und vertrauensvoll. Fazit: Die echte Augusta von Liesen sah bildhübsch
und total sympathisch aus.
    »Entschuldige,
dass ich dir manchmal die Zunge rausgestreckt habe«, sage ich zu dem gemalten Bild.
»Soll nicht wieder vorkommen.«
    Die Pinsel-Augusta
verzieht keine Miene.
    In einem
ersten Impuls will ich Vicki anrufen und ihr von meinem sensationellen Fund berichten.
Dann fällt mir jedoch ein, dass sie wahrscheinlich gerade mit ihrem Dani ein Kuschelstündchen
abhält. Und da sollte ich besser nicht mit alten Fotos nerven.
    Außerdem
kommt gleich Basti. Es wird Zeit, dass ich mich ein bisschen für ihn zurechtmache.
Ich laufe in mein Zimmer, werfe den Bademantel und das Handtuch ab und krame aus
der Dessous-Schublade meine Lieblingswäsche – ein schwarzes Korsett mit passendem
Slip von ›Aubade‹. War sündhaft teuer, dafür ist sie atemberaubend schön. Aus Vickis
Zimmer klaue ich mir ihren Seidenkimono. Meine Haare föhne ich trocken und bürste
sie so lange, bis sie glänzen. Dann stecke ich sie hoch und lasse vorn mehrere Strähnen
herausfallen. Nun die schwarzen Lacksandalen … Aua, nein das geht nicht. Mein Fuß
ist beleidigt, weil ich ihn mit einem Buch beworfen habe, und spielt nicht mit.
Also werde ich Basti barfuß empfangen. Hauptsache nicht in Latschen.
    Als ich
mich im Spiegel betrachte, bin ich zufrieden. Klein, blond, sexy – und gleich kommt
der Mann meiner Träume. So lässt es sich leben!
     
    Basti und ich – wir sind Genießer.
Es braucht eine Ewigkeit, bis er mich aus meiner Wäsche gepellt hat und wir auf
dem Bett liegen und uns lieben. Warum nicht? Die Nacht ist lang und jede Minute
mit ihm ist wunderschön. Wir sind wie berauscht, wenn wir uns nur anschauen, geschweige
denn berühren – vor allem dann, wenn wir uns länger nicht gesehen haben.
    Eigentlich
finde ich es schade, dass wir uns nur gelegentlich treffen. Manchmal beschleicht
mich allerdings der Verdacht, dass es zwischen uns nicht trotz , sondern weil wir selten zusammen sind so atemberaubend ist. Zu viel Nähe zerstört die Erotik,
habe ich neulich in einer großen Frauenzeitschrift gelesen, die beim Zahnarzt herumlag.
Wenn du erst seine Unterhosen in deine Waschmaschine stopfst, ist es bald Asche
mit dem Sex. Stand in dem Artikel.
    Ich weiß
nicht, ob ich das glauben soll. Bei Vicki und Daniel ist es jedenfalls nicht so.
Und Robs Unterhosen hat immer Lila mitgewaschen. Mit dem Ergebnis, dass er dann
mit ihr Sex hatte, und nicht mehr mit mir. Jetzt sind die beiden ein richtig
glückliches Paar und wohnen sogar zusammen. Die Theorie gehört also auf den Prüfstand.
Frauenzeitschriften müssen nicht immer recht haben.
     
    Als Basti und ich am Sonntagmorgen
(oder ist es bereits Mittag?) in der Küche sitzen und Kaffee trinken, schaut er
sich interessiert Tante Augustas Tagebuch an.
    »Könnte
Vickis Zwilling sein«, sagt er und liest die Bildunterschrift.
    »Ich habe
es gestern beim Herumkramen gefunden«, antworte ich. »Unterm Schrank.«
    »Gestern?«
    »Mmh.«
    »Das ist
lustig, denn gestern war der 10. September und, guck mal, hier steht, dass Augusta
von Liesen das Tagebuch an einem 10. September begonnen hat.«
    »Nee, wirklich?«,
frage ich und schaue ihm ungläubig über die Schulter. »Das heißt, dass ich es auf
den Tag genau 100 Jahre später gefunden habe. Ist das jetzt ein Witz oder gruselig?«
    Basti legt
den Kopf schief und mustert mich amüsiert. »Keins von beidem«, antwortete er. »Es
ist Zufall.«
    Ich lächle
unsicher.
    Hätte er
Fügung, Hexenwerk oder Vorsehung gesagt, hätte ich ihm geglaubt. Denn Zufall ist so ziemlich das Einzige auf der Welt, woran ich seit Kurzem nicht mehr glaube.
Und daran sind ein paar Päckchen Glückskekse schuld, die vor Monaten mein ganzes
gemütliches Leben auf den Kopf gestellt haben. Immer wenn ich einen Glückskeksspruch
gelesen hatte, brauchte ich auf die Erfüllung seiner blöden Prophezeiung nicht lange
zu warten. Das war richtig unheimlich.
    »Kannst du die Schrift lesen?«, frage ich Basti, um mich von meinen unerfreulichen
Gedanken abzulenken.
    Er schüttelt
den Kopf. »Meine Urgroßmutter hat so ähnlich geschrieben«, sagt er und blättert
vorsichtig die Seiten um. »Das ist ein wirklich schönes Buch.«
    Augusta
hat sich viel Mühe mit ihrem Tagebuch gegeben. Immer wieder finden sich
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